Geheimdienst-Vorwürfe Spionage-Affäre: AfD-Wahlkampf zunächst ohne Krah
Die AfD zieht Maximilian Krah nach der Festnahme seines Mitarbeiters wegen mutmaßlicher Spionage für China erst einmal aus dem Wahlkampf heraus. Aber nur kurzfristig.
Berlin - Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah bleibt trotz Spionagevorwürfen gegen einen seiner Mitarbeiter Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl.
Bei einem Krisengespräch vereinbarten die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla in Berlin mit Krah, dass er zwar auf einen ersten ursprünglich am Wochenende geplanten Wahlkampfauftritt zur Europawahl verzichten soll. Außerdem sollen fertig produzierte Wahlvideos mit Krah nicht ausgestrahlt werden, wie aus der Parteispitze bestätigt wurde. Zunächst hatte darüber die „Bild“ berichtet. Auch Plakate mit Krah soll es nicht geben. Weitere Konsequenzen wurden aber nicht angekündigt.
Krah sagte nach dem Treffen, er habe sich kein persönliches Fehlverhalten vorzuwerfen. Kritiker äußerten Zweifel an seiner Unschuld. Der Verfassungsschutz warnte Politiker und Unternehmen vor Naivität im Umgang mit autoritären Staaten wie China.
Krisengespräch im kleinsten Kreis
AfD-Chefin Alice Weidel steigt am Morgen mit versteinerter Miene in einen Fahrstuhl des Jakob-Kaiser-Hauses des Bundestages. Vor ihrem Büro und dem von AfD-Co-Chef Tino Chrupalla haben sich Kamerateams aufgebaut. Kurzfristig wird entschieden, dem Trubel aus dem Weg zu gehen. Das für 9.00 Uhr anberaumte Krisengespräch mit Krah im kleinsten Kreis wird unbemerkt in den großen Fraktionssitzungssaal der AfD im Reichstagsgebäudes verlegt. Dort geht dann alles recht schnell. Nach zwanzig Minuten kommt Krah alleine wieder heraus und eilt hinunter ans Spreeufer für ein Statement.
Sehr freundlich, konstruktiv, aber der Sache angemessen ernst sei das Gespräch mit den beiden Parteichefs gewesen, erklärt er. Beim Wahlkampfauftakt am Samstag in Donaueschingen werde er nicht dabei sein. „Wenn Sie jetzt aber glauben, das sei das Ende meiner Spitzenkandidatur, dann muss ich Sie enttäuschen. Ich bin und bleibe Spitzenkandidat.“ Andere Auftritte werde er wahrnehmen. Von seinem Mitarbeiter, der wegen mutmaßlicher Spionage für China inzwischen in Untersuchungshaft sitzt, wolle er sich noch heute trennen, kündigt er an.
Chrupalla und Weidel wollen nichts sagen
Chrupalla und Weidel verlassen kurze Zeit später den Sitzungssaal mit ernsten Mienen. Kein Kommentar. Später kommt eine dürre schriftliche Stellungnahme: Man habe mit Krah die schwerwiegenden Spionagevorwürfe gegen seinen Mitarbeiter „und die damit einhergehende Rufschädigung“ erörtert. Krah habe sich entschieden, am bevorstehenden Wahlkampfauftakt nicht teilzunehmen, um Wahlkampf und Ansehen der Partei nicht zu belasten. Weitere mögliche Schritte nennen sie nicht.
„Jegliche Einflussnahmen fremder Staaten durch Spionage, aber auch der Versuch, Meinungen und Positionen zu kaufen, müssen aufgeklärt und mit aller Härte unterbunden werden“, teilen Chrupalla und Weidel weiter mit. Um eine öffentliche Debatte über mögliche Verfehlungen von AfD-Politikern wird ihre Fraktion nicht herumkommen. Auf Verlangen der Ampel-Fraktionen soll an diesem Donnerstag in einer Aktuellen Stunde im Bundestag über „Die Bedrohung unserer Demokratie - Russland, China und die Rolle der AfD“ gesprochen werden.
Affäre belastet Europawahlkampf der Partei
Die Affäre belastet die Partei keine sieben Wochen vor der Europawahl am 9. Juni noch viel stärker als die schon vorangegangenen Berichte über mögliche Verbindungen Krahs und seines Parteikollegen Petr Bystron, der Nummer zwei der AfD auf der Europawahlliste, zu prorussischen Netzwerken. Krahs Mitarbeiter soll Informationen aus dem Europaparlament an China weitergegeben und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. Krah spricht von einer unangenehmen Angelegenheit. „Es bleibt aber dabei, dass ich kein persönliches Fehlverhalten mir vorzuwerfen habe.“
Das nehmen ihm politische Gegner nicht ab. Krah sei im Verlauf der Legislaturperiode der „lauteste Vasall Chinas“ aus dem Lager der Rechten im Europäischen Parlament gewesen, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer im Deutschlandfunk. „Tatsächlich kann ich mir nicht vorstellen, dass Krah unbekannt war, was sein Mitarbeiter treibt.“
Auf dem Schirm hatten die Sicherheitsbehörden Jian G. wohl schon eine ganze Weile. Dass die Ermittler jetzt zugegriffen haben, mag auch daran liegen, dass man seine Flucht ins Ausland nicht riskieren wollte. Für eine Stellungnahme war er bisher nicht zu erreichen.
Änderungen nicht ohne Weiteres möglich
Wie es für Spitzenkandidat Krah in der Affäre konkret weitergeht, wird auch davon abhängen, was bei den Ermittlungen gegen seinen Mitarbeiter herauskommt und ob er dabei vielleicht auch belastet wird. Einfach ausgetauscht werden als Spitzenkandidat kann Krah nicht. Die Kandidatenliste der AfD ist fristgerecht eingereicht worden und kann nicht mehr geändert werden. Das geht nur, wenn ein Kandidat stirbt oder sein passives Wahlrecht verliert, also das Recht gewählt zu werden, zum Beispiel im Zuge eines Prozesses wegen einer Straftat. Ein einmal zugelassener Bewerber, könne vor der Wahl auch nicht einfach von seiner Kandidatur zurücktreten, heißt es aus dem Büro der Bundeswahlleiterin. Theoretisch könnte ein Abgeordneter wie Krah höchstens sein Mandat abgeben, sobald er gewählt ist.
Verfassungsschutz: China nutzt gesamte Bandbreite der Methoden
An diesem turbulenten Mittwoch berieten in Berlin auch hochrangige Experten bei einer Sicherheitstagung über „Chinas Streben in der Welt“. Mit dabei waren der Verfassungsschutz, dessen Erkenntnisse zur Festnahme von Jian G. geführt haben. Das Europäische Parlament sei sowohl für Russland als auch für China eine wichtige Spielwiese, um Informationen abzugreifen beziehungsweise Entscheidungen zu beeinflussen, sagt Verfassungsschutz-Vizepräsident Sinan Selen der Deutschen Presse-Agentur.
Auf die Frage, ob er den Eindruck habe, dass es bei deutschen Parlamentariern im Bundestag oder Europaparlament schon erfolgreiche Einflussnahme chinesischer Geheimdienste gegeben habe, sagt er später bei einer Pressekonferenz: „Ja, das muss man mit einkalkulieren“. Es gebe einen politischen Austausch mit China. Der sei „mehr als gewünscht“ und kein Thema für den Verfassungsschutz. Daneben gebe es aber auch illegitime Methoden. Und es sei davon auszugehen, dass China auch in Deutschland die gesamte Bandbreite der Methoden nutze.