Soziales Rufe nach Stopp für Bürgergeld-Plus
Das Bürgergeld soll um zwölf Prozent erhöht werden. Union und FDP stemmen sich dagegen. CDU und CSU wollen zudem den Kreis der Bezieher einschränken - es gibt jedoch auch Widerspruch in der Union.
Berlin - Die starke Erhöhung des Bürgergeldes Anfang 2024 sorgt für Zwist in der Union. Der Sozialflügel stemmt sich gegen Forderungen aus den Parteiführungen, die Erhöhung zu stoppen. CSU-Chef Markus Söder und auch führende FDP-Politiker verlangen hingegen, die Anhebung um zwölf Prozent zurückzunehmen.
Die mehr als fünf Millionen Bürgergeld-Empfänger sollen zum 1. Januar 2024 im Schnitt rund 12 Prozent mehr Geld bekommen - Alleinstehende dann 563 Euro. Anders als bei früheren Anpassungen war die monatelang stark erhöhte Inflation aufgrund einer Änderung der Regeln bei der Berechnung für 2024 stärker berücksichtigt worden.
Söder: „Balance zwischen Fördern und Fordern stimmt nicht“
„Die Ampel muss die für Januar vorgesehene Erhöhung um ein Jahr verschieben und noch einmal völlig neu ansetzen“, sagte der bayerische Ministerpräsident Söder dem Magazin „Stern“. „Es braucht mehr Motivation, um arbeiten zu gehen. Deshalb werden wir im Bundesrat eine Initiative zur Generalüberholung des Bürgergelds einbringen. Denn die Balance zwischen Fördern und Fordern stimmt nicht“, begründete Söder den Vorstoß. „Wer arbeitet, muss erkennbar mehr bekommen als jemand, der nicht arbeitet. Deshalb brauchen wir Änderungen.“
Die CDU will nach Angaben von Generalsekretär Carsten Linnemann im Fall einer Regierungsübernahme arbeitsfähigen, jungen Erwachsenen das
Bürgergeld deutlich kürzen, sofern sie Arbeits- oder Ausbildungsangebote ablehnen. Es könne nicht sein, dass 600 000 junge
Menschen zwischen 18 und 24 Jahren weder arbeiten noch
in Ausbildung sind“, argumentierte Linnemann im „Tagesspiegel“ (Montag). „Wer gerade in jungen Jahren arbeiten könnte, es aber bewusst nicht tut und das System ausnutzt, müsste statt mit einer 30-prozentigen Kürzung mit 50 Prozent oder mehr rechnen“, sagte er.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte eine Rücknahme der deutlichen Erhöhung des Bürgergeldes. „Jeder dritte Euro, den die Bundesregierung ausgibt, fließt in Sozialausgaben. Das geht nicht mehr“, sagte Djir-Sarai der „Bild am Sonntag“. „Deshalb ist es jetzt dringend notwendig, das Bürgergeld neu zu bewerten. Die geplante Erhöhung zum 1. Januar ist nicht mehr angemessen“, fügte er hinzu. Es könne nicht sein, dass die Regierung in Zeiten knapper Kassen und mit der niedrigsten Inflation seit 2021 das Bürgergeld um zwölf Prozent anhebe. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) müsse die geplante Erhöhung stoppen. „Alles andere ist auch der arbeitenden Bevölkerung nicht zu vermitteln“, erklärte Djir-Sarai.
Finanzminister Christian Lindner hat den Bereich Soziales mit dem Bürgergeld als einen von drei Bereichen genannt, um Lücken im Haushalt für 2024 zu stopfen. Mit Blick auf das Bürgergeld wies der FDP-Chef in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe darauf hin, dass sich die Inflationsrate wesentlich besser entwickelt, als bei der Festlegung des Regelsatzes für 2024 prognostiziert. Die Inflation war im November auf 3,2 Prozent gesunken - die geplante Bürgergeld-Erhöhung ab Januar basiert noch auf einer Inflation von 9,9 Prozent, wie der FDP-Sozialexperte Pascal Kober erklärt hatte.
Sozialminister Heil hatte Forderungen nach Aussetzung der Erhöhung bereits zurückgewiesen. Der Minister verweist auf den Mechanismus, dass die starke Erhöhung mit der hohen Inflation dieses Jahres zu tun hat. Wenn die Inflation aber 2024 wieder sinke, werde die darauf folgende Bürgergelderhöhung „relativ mickrig sein“, sagte der Minister unlängst voraus.
CDU-Sozialflügel warnt: Menschen nicht verunsichern
Der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmervereinigung CDA, Karl-Josef Laumann, wandte sich ebenfalls dagegen, die für Anfang 2024 geplante Erhöhung des Bürgergelds zu streichen. „Beim Bürgergeld war eine Anpassung der Regelsätze dringend notwendig“, sagte der nordrhein-westfälische Sozialminister dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es sei falsch, in der aktuellen Haushaltslage nur die Sozialleistungen zu kritisieren. „Niemand darf denken, die CDU stehe nicht an der Seite der kleinen Leute“, warnte Laumann.
CDA-Vize Christian Bäumler betonte ebenfalls: „Die Forderung nach Sozialabbau in Deutschland verunsichert die Menschen und gefährdet den sozialen Frieden. Eine Politik, die die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher macht, ist mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar“, mahnte Bäumler. Er warnte davor, mit „Sozialstaatspolemik die geistigen Grundfesten der Union“ zu zerstören.
Kein Bürgergeld für neu ankommende Ukraine-Flüchtlinge?
Aus der Union kommt noch eine weitere Forderung. Söder will einen Stopp von Bürgergeld-Zahlungen an neu ankommende ukrainische Flüchtlinge. „Es wäre nicht rechtmäßig, etwas rückwirkend zu streichen. Aber für alle neuen Fälle müssen wir umsteuern“, sagte der CSU-Politiker. „Und für alle anderen, die neu zu uns kommen, sollte es Sozialleistungen erst nach fünf Jahren statt nach 18 Monaten geben.“
Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, sprach sich dafür aus, die Zahlung von Bürgergeld an neu angekommene Flüchtlinge aus der Ukraine zu beenden. „Dass die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine alle sofort Bürgergeld erhalten, war damals, als es beschlossen wurde, von allen Beteiligten gut gemeint gewesen“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. Die Entscheidung habe sich aber, was die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit anbelangt, als kontraproduktiv erwiesen.
CDU-Chef Friedrich Merz mahnte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“, dass man stärker differenzieren müsse zwischen beitragsfinanzierten Lohnersatzleistungen und steuerfinanzierten Sozialleistungen. „Ich bin sogar dafür, dass diejenigen, die zum Beispiel Arbeitslosengeld bekommen, in den ersten Monaten vielleicht sogar höhere Leistungen bekommen, so dass sie ihren Lebensstandard sichern können.“
Die Inflationsrate sei deutlich niedriger als zum Jahresbeginn angenommen, so Merz. Deswegen sei das Plus von 12,6 Prozent, das Minister Heil jetzt plane, „einfach zu viel, wenn man daran denkt, dass diejenigen, die es bekommen, als Sozialleistungen einen Anreiz haben sollten, in den Arbeitsmarkt zu gehen“.