Bürgerschaft Scholz soll erneut vor Hamburger „Cum-Ex“-Ausschuss aussagen
Ein Bundeskanzler, ein Hamburger Bürgermeister, mehrere seiner Vorgänger, ein Ministerpräsident und ein Ex-Landesregierungschef - sie stehen auf einer Zeugenliste für den Hamburger „Cum-Ex“-Ausschuss.
Hamburg - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll ein drittes Mal vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburgischen Bürgerschaft zum Cum-Ex-Skandal aussagen. Sein Name steht auf einer Zeugenliste zu zwei Beweisanträgen von SPD und Grünen, die der Ausschuss mit rot-grüner Mehrheit beschlossen hat.
Dort finden sich noch weitere prominente aktive und ehemalige Amtsträger: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), seine Vorgänger Ole von Beust und Christoph Ahlhaus sowie der ehemalige Finanzsenator Wolfgang Peiner und der frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen (alle CDU).
Sie sollen nach dem Willen von SPD und Grünen zu den „Cum-Ex“-Geschäften der früheren staatseigenen HSH Nordbank befragt werden. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) soll als Zeuge geladen werden. Von ihm erhoffe man sich Informationen zum Stand der Aufklärung der „Cum-Ex“-Geschäfte bei WestLB, sagte SPD-Obmann Milan Pein.
CDU und AfD stimmen gegen Beweisanträge
Die CDU hält die Beweisanträge für verfassungswidrig und stimmte dagegen, ebenso die AfD. Bei den Linken war von einem „politischen Show-Antrag“ von Rot-Grün die Rede - bei der Abstimmung enthielten sich die Abgeordneten aber. Angesichts der CDU-Kritik wurde der Arbeitsstab des Ausschusses beauftragt, die Rechtmäßigkeit der Anträge nachträglich zu prüfen.
„Wir halten den Antrag in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig“, sagte die CDU-Abgeordnete und stellvertretende Schriftführerin im Ausschuss, Anke Frieling. Die „Cum-Ex“-Geschäfte der HSH Nordbank seien erst 2013 bekanntgeworden. „Einige von den hier Aufgeführten (Zeugen) waren da schon gar nicht mehr im Amt.“ Eine politische Einflussnahme hätte aber erst nach dem Bekanntwerden erfolgen können, sagte sie. „Es geht ausdrücklich nicht um die Frage, ob 2008 "Cum-Ex"-Geschäfte durch die HSH Nordbank getätigt wurden, denn dieser Fakt steht ja bereits fest, sondern wie nach dem Bekanntwerden der damalige SPD-Senat damit umgegangen ist.“ Die SPD versuche gemeinsam mit den Grünen „mit Nebelkerzen von der politischen Verantwortung ihres Spitzenpersonals abzulenken“.
Auch die Ladung von Wüst halte sie für Verfassungswidrig, sagte Frieling. „Es ist doch nicht die Aufgabe eines Hamburger Untersuchungsausschusses, die aktuelle Politik in NRW zu untersuchen.“
Der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch stellte Sinn und Zweck einer Befragung der benannten Zeugen ebenfalls infrage, da man ein halbes Jahr brauche, „um die zusammenzukriegen und die dann sofort sagen, sie hätten nichts davon gewusst.“
SPD: HSH Nordbank tätigte Cum-Ex-Geschäfte unter CDU-Senaten
Die HSH Nordbank habe unter Aufsicht der CDU-Senate zwischen 2008 und 2011 „Cum-Ex“-Geschäfte getätigt, sagte SPD-Mann Pein. „Wir befragen daher die damals politisch Verantwortlichen, in deren Regierungszeit die HSH "Cum-Ex"-Geschäfte getätigt hat.“ Dies sei eindeutig vom Untersuchungsauftrag gedeckt, den die Oppositionsparteien selbst erweitert hätten.
Ab 2013 habe die HSH Nordbank die rechtswidrige Geschäftspraxis aufgearbeitet, indem sie ein externes Gutachten erstellen ließ und die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) und die Staatsanwaltschaft über das Ergebnis informiert habe, sagte Pein. „Keine andere Landesbank hat ihre "Cum-Ex"-Geschäfte derart frühzeitig und proaktiv von Externen überprüfen lassen und die zu Unrecht erhaltenen Gelder samt Zinsen zurückerstattet.“ Scholz und Tschentscher hätten dieses Verfahren damals als Bürgermeister beziehungsweise Finanzsenator begleitet „und können hier wertvolle Hinweise zur Aufklärung liefern“.
Scholz schon zwei Mal vor Ausschuss - mit Erinnerungslücken
Scholz hat bereits zwei Mal als Zeuge im Zusammenhang mit den Geschäften der ebenfalls in den „Cum-Ex“-Skandal verwickelten Warburg Bank vor dem PUA ausgesagt.
Ursprünglich war der Untersuchungsausschuss 2020 zur Klärung einer möglichen politischen Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die steuerliche Behandlung der Hamburger Privatbank eingerichtet worden. Hintergrund waren drei Treffen des damaligen Bürgermeisters Scholz mit den Warburg-Gesellschaftern Christian Olearius und Max Warburg 2016 und 2017, die Scholz erst nach und nach bestätigt hatte. Gegen Olearius war damals bereits wegen des Verdachts des schweren Steuerbetrugs ermittelt worden.
Nach den ersten Treffen hatte die Hamburger Finanzverwaltung entgegen ursprünglicher Pläne auf die Rückforderungen von 47 Millionen Euro zu unrecht erstatteter Kapitalertragssteuer gegen die Bank verzichtet - und diese nach Ansicht der an der Entscheidung Beteiligten in die Verjährung laufen lassen. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst auf Weisung des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.
Scholz hatte vor dem Ausschuss erklärt, sich nicht mehr an die Inhalte der Gespräche mit den Bankern erinnern zu können, zugleich aber eine Einflussnahme ausgeschlossen.
Weiter Streit um Frage der politischen Einflussnahme im Fall Warburg
Im Januar hatte der Ausschuss seinen Zwischenbericht zum Komplex Warburg verabschiedet. Vertreter der Regierungsparteien und der Opposition kamen dabei zu völlig konträren Bewertungen: SPD und Grüne sehen weiterhin keinen Beleg für eine politische Einflussnahme. CDU, Linke und AfD werteten dagegen Indizien als Beleg dafür, dass sowohl Scholz als auch sein damaliger Finanzsenator und späterer Nachfolger Tschentscher Einfluss genommen hätten.
Ob auch der Ausschuss seine Arbeit in dieser Legislatur abschließen kann, ist fraglich. Anfang März kommenden Jahres stehen in Hamburg Bürgerschaftswahlen an.