Verkehrspolitik Sachsen pocht auf Ausbau der A 4: Sieht Bund in der Pflicht
Ostsachsen hat nach 1990 eine gravierenden Umbruch erlebt. Viele Industriebetriebe verschwanden, in manchen Städten wanderte die Hälfte der Bevölkerung ab. Nun sieht man sich durch eine Entscheidung aus Berlin erneut abgehängt.

Dresden - Sachsen will die Absage des Bundes an den Ausbau der Autobahn 4 von Dresden nach Görlitz nicht hinnehmen. Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) forderte am Donnerstag seinen Bundeskollegen Volker Wissing (FDP) auf, die schriftliche Begründung zu der Entscheidung endlich nach Dresden zu übermitteln. „Unabhängig davon erwarte ich, dass der Bund seiner gesetzlich verankerten Verantwortung für den bedarfsgerechten Ausbau seiner Infrastruktur, der Verkehrssicherheit auf Autobahnen und gegenüber den staugeplagten Menschen in der Region gerecht wird, und die Planungen für den Ausbau der Bundesautobahn 4 östlich von Dresden unverzüglich wieder aufnimmt.“
Dulig ordnete die Bedeutung der Strecke in den europäischen Kontext ein. Über die A4 rollt der Verkehr in Richtung Polen und Ukraine, Lkw-Kolonnen bewegen sich hier wie an einer Perlenschnur aufgefädelt in Richtung Osten. „In den vergangenen Jahrzehnten haben die Verkehre auf der europäischen Ost-West-Achse der Bundesautobahn 4 rund um Dresden massiv zugenommen“, erklärte der Minister. Es gehe mit einem Ausbau der A4 darum, „Verkehrsströme innerhalb Europas abzusichern“.
„Für die Bundesautobahnen ist allein der Bund als Eigentümer zuständig. Er muss diese bedarfsgerecht planen, ausbauen und unterhalten. Den entsprechenden Ausbaubedarf hatte der Freistaat Sachsen mit seinem ausführlichen Antrag auf Ausbau der Autobahn bereits im Jahr 2018 nachgewiesen“, argumentierte Dulig. Die Notwendigkeit eines Ausbaus sei nicht mit dem Strukturwandel in der Lausitz zu begründen. „Sie sind nicht dafür gedacht, vorhandene Infrastruktur des Bundes auszubauen. Darin waren sich Bund und Freistaat einig, weshalb Sachsen diese überfällige Ausbaumaßnahme letztlich nicht über das Strukturstärkungsgesetz angemeldet hatte.“
Die Kritik an der Absage des Bundes zum sechsspurigen Ausbau der Autobahn 4 zwischen Dresden und der Grenze zu Polen hielt auch am Donnerstag an. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Dresden, Andreas Sperl, nannte die Ankündigung „überaus bedenklich“. Selbst wenn die aktuellen Verkehrszählungen unter den Grenzwerten für den Zubau weiterer Fahrstreifen lägen, müsse doch allen Beteiligten in Sachsen und beim Bund von Beginn klar gewesen sein, dass es um die Zukunft einer wirtschaftlich prosperierenden Region gehe.
Sperl mahnte auch die bislang nicht realisierte Elektrifizierung der Bahnstrecke von Dresden nach Görlitz an. „Wer in solch neuralgischen Lebensadern der Infrastruktur vorsätzlich nicht investiert, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, den Anschluss der Region zu sabotieren, nicht hinter dem Strukturwandel in der Lausitz zu stehen, und damit diese Region mehr oder weniger abzuschreiben.“
„Auf der Autobahn A4 zwischen Görlitz und Dresden kommt es fast täglich zu Staus durch Unfälle. Wer die A4 und die tägliche Verkehrslage zwischen Görlitz und Dresden kennt, für den ist klar: wir brauchen den Ausbau auf sechs Spuren für die gesamte Strecke. Wenn die Bundesregierung den Bedarf zum Ausbau auf sechs Spuren nicht sieht, dann verschließt sie die Augen vor der Realität und hemmt damit die Entwicklung der Oberlausitz“, erklärte der Görlitzer CDU-Kreischef Florian Oest.
Der Bund hatte für den Ausbau der A4 von Dresden nach Görlitz keinen Bedarf gesehen. Das Bundesverkehrsministerium verwies auf Untersuchungen, wonach sich das prognostizierte Verkehrsaufkommen auf der Strecke nicht ausreichend nachweisbar sei. Dulig zufolge hatte Wissing dem sächsischen Kabinett auf einer gemeinsamen Sitzung im Oktober 2022 mündlich mitgeteilt, dass es für einen Ausbau der A4 östlich von Dresden keinen „hinreichenden, fachlichen Bedarf“ geben würde. Die schriftliche Begründung sei bisher aber ausgeblieben.