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Kontroverse über Gedenkfeiern Russland nimmt am Weltkriegs-Gedenken in Torgau teil

Das Auswärtige Amt empfiehlt den Ausschluss Russlands vom Weltkriegs-Gedenken in Deutschland. Am Freitag wird der russische Botschafter trotzdem wieder bei einer Veranstaltung erwartet.

Von Michael Fischer, Birgit Zimmermann und Jörg Schurig, dpa Aktualisiert: 24.04.2025, 18:11
Dieses Foto vom Handschlag amerikanischer und sowjetischer Soldaten in Torgau am 25. April 1945 ging um die Welt. (Archivbild)
Dieses Foto vom Handschlag amerikanischer und sowjetischer Soldaten in Torgau am 25. April 1945 ging um die Welt. (Archivbild) ADN/dpa

Berlin/Torgau - Die Kontroverse um die Teilnahme russischer Vertreter an Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs spitzt sich weiter zu. Der russische Botschafter Sergej Netschajew will am Freitag im sächsischen Torgau an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Aufeinandertreffens US-amerikanischer und sowjetischer Soldaten an der Elbe teilnehmen. 

Der Botschafter werde „der Einladung der Stadt Torgau Folge leisten“, teilte ein Sprecher der russischen Botschaft in Berlin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Nach Angaben der Stadt Torgau wurden die Auslandsvertretungen mehrerer Länder - darunter Russland - zwar nicht explizit eingeladen, aber über die öffentliche Veranstaltung informiert. 

Kretschmer nimmt Teilnahme Netschajews zur Kenntnis

Der parteilose Bürgermeister Henrik Simon machte deutlich, dass der Botschafter nicht an einer Teilnahme gehindert werden wird. Die Bitte nach einem Rederecht habe man allerdings ausgeschlagen, „um keine Plattform zu geben“, sagte er der dpa. 

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der bei der Gedenkfeier sprechen wird, nahm die Teilnahme des Botschafters lediglich zur Kenntnis und verwies darauf, dass es sich um eine Veranstaltung der Stadt Torgau handele. 

AfD fordert Rederecht für Netschajew

Das Auswärtige Amt hatte Ländern, Kommunen und Gedenkstätten des Bundes empfohlen, keine russischen Gäste zu solchen Gedenkveranstaltungen zuzulassen. Begründet wurde das mit der Befürchtung, dass Russland diese Veranstaltungen „instrumentalisieren und mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen“ könnte.

Die sächsische AfD-Fraktion kritisierte diese Empfehlung und forderte sogar ein Rederecht für Netschajew. „Im Zweiten Weltkrieg hat die Rote Armee der Sowjetunion den größten Blutzoll zahlen müssen“, sagte ihr Vorsitzender Jörg Urban. „Wie das Auswärtige Amt davon abraten kann, russische Vertreter zu Weltkriegs-Gedenkveranstaltungen zuzulassen, ist mir völlig unverständlich.“

Kontroverse begann mit Gedenken auf den Seelower Höhen

Die Kontroverse hatte vergangene Woche mit der Teilnahme Netschajews an einer Gedenkveranstaltung auf den Seelower Höhen östlich von Berlin begonnen. Dort hatte vor 80 Jahren die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden stattgefunden, bei der 35.000 sowjetische, 16.000 deutsche und 2.000 polnische Soldaten getötet wurden. Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev hatte den Auftritt Netschajews bei dem Gedenken scharf kritisiert: „Wer mit ihm an der Gedenkfeier teilnimmt, lässt sich instrumentalisieren und relativiert Russlands heutige Kriegsverbrechen.“

Zu einer einheitlichen Linie von Bund, Ländern und Kommunen hat die Empfehlung des Auswärtigen Amts jedenfalls nicht geführt. So hat der Bundestag Netschajew zwar von der zentralen Gedenkfeier im Parlament am 8. Mai ausgeschlossen und auch die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten lässt keine russischen Vertreter zu Gedenkveranstaltungen zum Weltkriegsende zu. In Seelow und nun in Torgau wurde aber anders entschieden. 

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Kretschmer betonte allerdings, dass das Gedenken „nicht losgelöst von der aktuellen militärischen Aggression Russlands begangenen werden kann“. Die wichtigste Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg sei, weitere Kriege zu verhindern, sagte er der dpa. „Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Russland dieses gemeinsame Fundament verlassen.“ 

Trump und Putin beschworen 2020 den „Geist der Elbe“

Am 25. April erinnert Torgau jedes Jahr an den sogenannten Elbe Day, an dem amerikanische und sowjetische Soldaten auf der zerstörten Elbe-Brücke aufeinandertrafen. Das Foto vom Handschlag von Torgau ging als Symbol für das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft um die Welt.

Am 75. Jahrestag 2020 hatten der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump, der damals in seiner ersten Amtszeit war, den Jahrestag noch in einer gemeinsamen Erklärung gewürdigt. „Der "Geist der Elbe" ist ein Beispiel dafür, wie unsere Länder Differenzen beiseiteschieben, Vertrauen aufbauen und für eine größere Sache zusammenarbeiten können“, schrieben sie.

Absage der Gedenkfeier nach russischem Angriff 2022

Zwei Jahre später wurden die Gedenkfeiern in Torgau dann kurzfristig abgesagt. Der Grund war der russische Angriff auf die Ukraine zwei Monate zuvor. „Die aktuelle Lage und die täglichen Ereignisse lassen es geraten erscheinen, eine derartige Zusammenkunft in diesem Jahr nicht durchzuführen“, teilte die Stadt Torgau damals mit.