Einwanderung Städte fordern mehr Hilfe bei der Flüchtlingsunterbringung
Im November hatten sich Bund und Länder auf eine Finanzierung der Migrationskosten geeinigt. Kurz vor einem neuen Treffen am Mittwoch sagen nicht nur die Städte: Es muss dringend noch mehr passieren.
Berlin - Der Deutsche Städtetag hat vor dem Spitzentreffen von Bund und Ländern an diesem Mittwoch auf massive Probleme bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten hingewiesen. Präsident Markus Lewe (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Immer noch sind viele in Messehallen oder Zelten untergebracht, auch Familien mit Kindern“. Die Länder müssten deutlich mehr Plätze schaffen. Auch der Bund müsse eigene Unterbringungskapazitäten aufbauen. Bei der Integration der geflüchteten Kinder und Jugendlichen seien die Städte dringend auf die Unterstützung der Länder angewiesen. Unionspolitiker forderten abermals eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte der „Bild“: „50.000 oder 60.000 Flüchtlinge pro Jahr – mehr können das erst mal für die nächsten Jahre nicht sein, weil wir so eine große Integrationsanstrengung haben.“ Diese Obergrenze sei nötig, weil Deutschland nicht genug Aufnahmekapazitäten habe. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sagte „Bild“, die Asylzahlen müssten „drastisch gesenkt werden“. Das Ziel von 60.000 Asylbewerbern pro Jahr sei „vernünftig“.
Faeser: Deutschland ist an internationales Recht gebunden
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte den Vorschlag einer jährlichen Obergrenze aber schon im Herbst für die Bundesregierung abgelehnt. Obergrenzen seien wegen des individuellen Grundrechts auf Asyl nicht möglich – Deutschland sei an europäisches und internationales Recht gebunden.
In Deutschland stellten im Jahr 2023 rund 329.000 Menschen einen Erstantrag auf Asyl – etwa 50 Prozent mehr als 2022. Die mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine, die seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 nach Deutschland kamen, sind darin nicht erfasst, da sie kein Asyl beantragen müssen.
Wüst fordert mehr Tempo bei Begrenzung von Migration
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat entschiedenere und schnellere Maßnahmen bei der Begrenzung irregulärer Migration gefordert. „Noch so ein Jahr on top, immer noch mehr Menschen obendrauf, wird uns an die Grenzen dessen bringen, was überhaupt noch geht“, sagte Wüst in der ARD-Sendung „Maischberger“. Nach dem großen Flüchtlingszugang 2023 sei davon auszugehen, dass es auch dieses Jahr so weitergehe. „Aber unsere Systeme ächzen“, sagte der CDU-Politiker. „Knapp die Hälfte der Menschen, die zu uns kommen, haben kein dauerhaftes Recht, hier zu sein.“
Erneut machte Wüst sich für Asylverfahren außerhalb der Europäischen Union stark. Er glaube nicht, dass die Grünen am Ende ein Problem damit hätten, wenn die Verfahren nach den Regeln der Europäischen Menschenrechtskonvention und unter dem Dach der Vereinten Nationen abliefen. Die Asylverfahren müssten auch nicht in Afrika, sondern könnten auch entlang der Fluchtrouten erfolgen, sagte der CDU-Politiker. So habe Italien etwa eine entsprechende Verabredung mit Albanien getroffen. Auch wenn es ein oder zwei Jahre bis zur Umsetzung von Asylverfahren außerhalb der EU dauere, müsse jetzt gehandelt werden. „Wir laufen in eine Situation der Überforderung hinein“, sagte Wüst. „Die Extremisten werden stärker, und jährlich ertrinken Tausende Menschen im Mittelmeer.“
Abbau rechtlicher Hürden wichtig für Integration
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder wollen an diesem Mittwoch über Migrations- und Asylpolitik beraten. Im November hatten sie vereinbart, dass der Bund ab 2024 für jeden Menschen, der erstmalig einen Asylantrag in Deutschland stellt, eine jährliche Pauschale von 7500 Euro zahlt. Die Anpassung der Mittel an die Zahl der Asylbewerber sei ein Meilenstein gewesen, sagte Städtetagspräsident Lewe. Der aktuelle Betrag reiche aber nicht aus, um die Kosten zu decken. Insbesondere für die Integration müsse der Bund „noch einmal nachlegen“. Die Länder seien aufgefordert, die Bundesmittel möglichst komplett an die Kommunen weiterzugeben. Dies sei nicht überall der Fall. Zudem sollte der Bund die Kosten der Unterkunft für Geflüchtete wieder vollständig übernehmen.
Lewe wünscht sich zudem beim Abbau rechtlicher Hürden für arbeitswillige Asylbewerber und bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive mehr Tempo. „Uns ist wichtig, dass Asylbewerber, die den Städten zugewiesen werden, sofort arbeiten dürfen - unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus“, sagte er. Das würde nicht nur die Städte finanziell entlasten, sondern auch für bessere Integration sorgen. Unzufrieden zeigte sich Lewe bei den angekündigten Vereinbarungen mit Herkunftsländern von Asylbewerbern. „Kaum ein Herkunftsland, mit dem verhandelt wurde, hat sich bisher verbindlich zur Rücknahme abgelehnter Asylbewerber verpflichtet“, kritisierte er.
Andauernde „Migrationskrise“ sorgt für überlastete Kommunen
Auch der Deutsche Landkreistag hält weitere Maßnahmen zur Begrenzung der Migration für dringend erforderlich. „Die Beschlüsse vom November haben nicht nennenswert dazu beigetragen, zu mehr Kontrolle im Flüchtlingsgeschehen zu gelangen“, sagte Verbandspräsident Reinhard Sager dem „Handelsblatt“. „Man arbeitet in den Landkreisen noch immer am Anschlag und muss zusätzlich viele neue Geflüchtete verkraften“, betonte Sager. Die von der Ampel-Koalition angekündigte „Rückführungsoffensive“ finde nicht statt.
Auch Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) hielt Scholz vor, die bisherigen Beschlüsse der Bund-Länder-Runde zur Migration bei weitem noch nicht umgesetzt zu haben. Scholz müssen den Ländern auch neue Vorschläge machen. „Die Migrationskrise dauert an. Die Asylzahlen sind weiter viel zu hoch für unsere völlig überlasteten Kommunen.“