Familie FDP lehnt Paus-Vorstoß zur Kindergrundsicherung ab
Erneut sorgt das Sozialprojekt für Krach in der Koalition. Die FDP will den Vorschlag von Ministerin Paus zur Schaffung tausender neuer Stellen nicht mittragen. Auch der Zeitplan steht auf der Kippe.
Berlin - Die geplante Kindergrundsicherung sorgt weiter für Ärger in der Ampel-Koalition. Besonders aus der FDP-Fraktion gibt es heftige Kritik an den bisherigen Vorschlägen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) zur Umsetzung des Milliardenprojekts.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Johannes Vogel, lehnt die von Paus gewünschte Schaffung tausender neuer Stellen entschieden ab. „Warum das Familienministerium gerade jetzt die ebenso alte wie absurde Forderung nach 5000 neuen Stellen wiederholt hat, erscheint rätselhaft“, sagte Vogel der Deutschen Presse-Agentur. Es müsse bei der Kindergrundsicherung darum gehen, Prozesse zu digitalisieren und Bürokratie ab- und nicht aufzubauen, bekräftigte Vogel. Dafür liege „bis heute leider kein funktionierendes Konzept vor“.
Zuvor hatten unter anderem auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen ihren Unmut über den Vorschlag von Paus geäußert.
Die Familienministerin hatte zuvor bekräftigt, dass sie die Schaffung von 5000 Stellen zur Abwicklung der Kindergrundsicherung für richtig halte. Den Samstagsausgaben der „Rheinischen Post“ und des „General-Anzeigers“ hatte Paus gesagt: „Das zusätzliche Personal bedeutet eine Bürokratieentlastung für die Bürger. Im Moment tragen sie die Bürokratielast, müssen von Pontius zu Pilatus rennen.“
Und weiter: „Mit den 5000 Stellen wollen wir von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates kommen. Wir werden deutlich mehr Anträge als bisher haben.“ Die Kindergrundsicherung könne, so Paus, bis zu 5,6 Millionen Kinder und Jugendliche erreichen. Minister Lindner hatte dazu gesagt: „Die Vorstellung, dass der Staat eine 'Bringschuld' bei Sozialleistungen habe, finde ich verstörend - erst recht, wenn dafür 5000 neue Staatsbedienstete eingestellt werden müssen.“
Kann der Zeitplan eingehalten werden?
Der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung zwischen den Fraktionen. Mit der Sozialreform sollen ab 2025 bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Die Kindergrundsicherung gilt als das sozialpolitische Prestigeprojekt der Grünen.
Das Kabinett hatte im September einen Gesetzentwurf mit dem Ziel verabschiedet, dass die Kindergrundsicherung am 1. Januar 2025 in Kraft tritt. Nach Bedenken der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesrats kündigte die Bundesregierung im Dezember an, den Zeitplan zu überprüfen. Auf dpa-Anfrage teilte das Ministerium von Paus in der vergangenen Woche mit, dass der Zeitplan sowie der Zeitpunkt der Verabschiedung des Entwurfs „vom Fortgang der Beratungen“ im Parlament abhängig seien.
Es wachsen die Zweifel, dass der 1. Januar 2025 eingehalten werden kann - auch in der SPD-Fraktion. Das Parlament habe den Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung „erst recht spät in dieser Legislaturperiode“ erhalten, kritisierte der familienpolitische Sprecher der Fraktion, Sönke Rix. Die SPD gehe davon aus, „dass wir nicht die komplette Kindergrundsicherung zu Mitte 2025 einführen können“, sagte Rix der „Rheinischen Post“. Wahrscheinlicher werde daher eine Einführung in mehreren Schritten.
Unterstützung und Streit
Aus den Reihen der Grünen gab es dagegen Rückenwind für die viel gescholtene Ministerin. Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch bekräftigte, dass das Projekt nicht auf der Kippe stehe: „Alle Koalitionspartner haben sich zur Kindergrundsicherung bekannt, die Kindergrundsicherung wird kommen“, sagte er. Mit der Reform würden Leistungen „zusammengelegt und vereinfacht“, für Familien werde es „übersichtlicher und unbürokratischer“, versprach Audretsch.
Sozialverbände und die Partei Die Linke kritisierten den erneuten Koalitionsstreit um die Kindergrundsicherung scharf. Die Bundesgeschäftsführerin der Linken, Katina Schubert, sprach von einem „würdelosen Gezerre“. Der Staat breche sich keinen „Zacken aus der Krone, wenn er seine eigene Bringschuld gegenüber Menschen, die vielleicht alleinerziehend sind, berufstätig und unter Umständen noch gesundheitlich angeschlagen, anerkennt“, erklärte Schubert.
Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, rückte die Betroffenen in den Fokus. „Erst kürzlich wurde berichtet, dass mehr als jedes fünfte Kind und jeder fünfte Jugendliche in Deutschland von Armut betroffen ist. Um diese Misere zu bekämpfen, wäre eine echte Kindergrundsicherung wichtig“, erklärte sie. Stattdessen habe die FDP dafür gesorgt, „dass dieses so wichtige Projekt deutlich beschnitten wurde“, kritisierte Engelmeier.
Der Sozialverband VdK mahnte erneut an, Hürden für Familien abzubauen. „Der Bürokratie-Wahnsinn erschwert enorm den Kampf gegen Kinderarmut“, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Familien müssten teilweise „bis zu vier Behörden ablaufen, um ihre Kinder finanziell abzusichern“. Es sei kein Wunder, dass viele dann auf bestimmte Hilfen verzichten würden. Mit der Kindergrundsicherung müsse ein „vollumfänglicher Systemwandel“ gelingen.