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Nach dem Koalitionsbruch FDP-Plan für Ampel-Aus? Zerwürfnis immer tiefer

Nach dem Koalitionsbruch tobt ein Kampf um die Deutungen. Dass die FDP sich immer unwohler fühlte, war klar. Doch entwarf sie schon länger eine Art Ausstiegs-Drehbuch?

Von dpa 16.11.2024, 01:35
Berichte über FDP-Vorbereitungen für ein Ampel-Aus sorgen für Empörung bei der SPD. (Archivbild)
Berichte über FDP-Vorbereitungen für ein Ampel-Aus sorgen für Empörung bei der SPD. (Archivbild) Christoph Soeder/dpa

Berlin - Das Zerwürfnis zwischen den einstigen Ampel-Koalitionspartnern vertieft sich weiter. Führende Politiker von SPD und Grünen reagierten empört auf Berichte, wonach die FDP-Spitze einen Bruch des Regierungsbündnisses bereits seit Ende September in mehreren Strategietreffen vorbereitet haben soll. SPD-Chefin Saskia Esken sagte mit Blick auf den früheren Bundesfinanzminister: „Christian Lindner und seine FDP haben sich mit diesem Schmierentheater auf Kosten des Landes als politische Kraft disqualifiziert.“ Aus der FDP kamen weitere Vorhaltungen und Schuldzuweisungen gegen Kanzler Olaf Scholz (SPD).

„Drehbuch“ für Ende der Koalition?

Laut Recherchen der „Zeit“ und der „Süddeutschen Zeitung“ soll die FDP sich fundiert auf ein Ende der Ampel-Koalition vorbereitet haben - die Rede ist von einem „Drehbuch für den Regierungssturz“, wie es die „Zeit“ formulierte.

In mehreren Treffen der engsten Führung seien seit Ende September verschiedene Szenarien durchgespielt worden, wobei die teils kontroversen Beratungen auf ein Szenario zum Ausstieg aus der Koalition hinausgelaufen seien. Dafür sei auch die Idee eines wirtschaftspolitischen Konzepts, das innerhalb der Regierung nicht einigungsfähig sei, entwickelt worden, berichtete die „Zeit“. Durchgespielt worden sei auch ein Zeitplan für einen Rückzug der FDP-Minister aus dem Kabinett.

FDP: „Immer wieder Szenarien erwogen“

Die FDP erklärte auf Anfrage, man äußere sich nicht zu internen Sitzungen. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von November 2023, das den Nachtragshaushalt 2021 gekippt hatte, habe „immer wieder und in verschiedenen Runden eine Bewertung der Regierungsbeteiligung“ stattgefunden. „Selbstverständlich wurden immer wieder Szenarien erwogen und Stimmungsbilder eingeholt“, sagte ein Parteisprecher.

Am Ende habe es zwei Optionen gegeben, die Lindner dem Bundeskanzler in einem Gespräch am 3. November vorgeschlagen habe: „Eine Einigung auf eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik oder die geordnete Beendigung der Koalition durch den gemeinsamen Weg zu Neuwahlen. Das Ergebnis ist bekannt.“

Im Koalitionsausschuss am 6. November kam es zum Bruch, Scholz entließ Lindner als Minister. Die Krise hatte sich zuvor zugespitzt, nachdem am 1. November ein Grundsatzpapier Lindners mit Forderungen nach einer „Wirtschaftswende“ publik geworden war, das bei SPD und Grünen auf Ablehnung stieß.

Scholz: Entscheidung zu Lindner-Entlassung früher nötig?

SPD und FDP hatten sich nach dem Aus wechselseitig vorgeworfen, es provoziert zu haben. Lindner sprach von einer „Entlassungsinszenierung“. Scholz sagte nun der „Süddeutschen Zeitung“, womöglich hätte er die Entscheidung zur Entlassung Lindners auch früher treffen müssen. „Es ist kein Geheimnis, dass ich darüber auch schon einmal vorher nachgedacht habe, als es im Sommer trotz der vielen Stunden, die wir zusammen verbrachten, einfach nicht gelingen wollte, sich auf den Bundeshaushalt für 2025 zu einigen.“

Harsche Reaktionen bei SPD und Grünen

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf dem ehemaligen Koalitionspartner mit Blick auf die Berichte „politischen Betrug“ vor und forderte eine Entschuldigung. „Von Christian Lindner erwarte ich nicht, dass er die Größe hat, sich bei den Menschen zu entschuldigen. Aber wenn in der FDP noch jemand einen Funken Ehre hat, dann wäre jetzt der Moment, dies in aller Demut zu tun“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte dem „Spiegel“: „Ich fühle mich getäuscht und ich bin enttäuscht.“

Die scheidende Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, reagierte mit Unverständnis auf die Berichte: „Wir machen so nicht Politik“, sagte sie am Rande des Parteitags in Wiesbaden. „Wir sind in die Regierung gegangen, um Verantwortung zu übernehmen und nicht, um Spielchen zu spielen und Theaterszenen zu planen.“ Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge äußerte sich nicht überrascht: „So hat die FDP in den letzten drei Jahren gearbeitet – unehrlich und unzuverlässig“, sagte sie RTL/ntv. „Die FDP ist nicht regierungsfähig, sie ist nicht in der Lage, konkrete Zusagen einzuhalten.“

Lindner: „Es ist Wahlkampf“

FDP-Chef Christian Lindner erklärte am Samstag: „Es ist Wahlkampf.“ Selbstverständlich hätte die FDP ohne Wirtschaftswende die Koalition verlassen müssen. Deshalb habe er Scholz ja auch einen gemeinsamen, geordneten Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte der „Bild“-Zeitung, die Sozialdemokraten hätten seit Juli das Ampel-Aus vorbereitet. Die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte es auf der Plattform X „logisch, dass die FDP-Spitze alle Szenarien professionell skizziert hat“.