Bundesregierung Lindner: Im Haushalt umschichten statt neuer Schulden
Auf den letzten Metern will die Regierung den Etat für das laufende Jahr reparieren. Im Bundestag gibt es einen Schlagabtausch - über die Pläne für 2024. Die Grundfrage: Sparen oder Schuldenmachen?
Berlin - Finanzminister Christian Lindner will für den Haushalt 2024 keine zusätzlichen Schulden aufnehmen, sondern sparen.
„Wir werden auf der Ausgabenseite umschichten. Dafür, dass wir Zukunftsinvestitionen und bedeutende Vorhaben der Koalition realisieren, werden wir andere überkommene, heute nicht mehr notwendige Ausgaben repriorisieren“, sagte der FDP-Politiker im Bundestag. „Noch mehr Schulden bei stark gestiegenen Zinsen ist jedenfalls nicht der richtige Weg.“ Er wolle lieber Geld für Zukunftsinvestitionen ausgeben als für Zinsen.
Nach dem Karlsruher Haushaltsurteil ringt die Ampel-Koalition um den Etat für das kommende Jahr. Lindner beziffert die Finanzierungslücke auf 17 Milliarden Euro. Im Gespräch sind diverse Sparmaßnahmen, aber auch eine Aussetzung der Schuldenbremse, um so zum Beispiel die Hilfszahlungen an die Ukraine über Kredite zu finanzieren.
Der Haushälter der Grünen, Sven-Christian Kindler, sprach sich für den Abbau klimaschädlicher Subventionen aus. „Wann, wenn nicht jetzt?“, fragte er. Kindler verwies auch auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das die Bundesregierung verurteilt hat, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Außerdem müsse die Schuldenbremse für Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur erweitert werden.
Weitere Stimmen
Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg betonte, CDU und CSU seien bereit, der Koalition konstruktiv bei einer Lösung zu helfen - das setze aber voraus, dass die Ampel im Haushalt umschichte und ernsthaft spare. CDU-Haushälter Christian Haase sagte, frühere Regierungen hätten viel mehr als die 17 Milliarden eingespart.
„Das trauen Sie sich nicht zu?“, fragte er an die Koalitionäre gerichtet. Außerdem betonte er: „Die Schuldenbremse verhindert nicht die wichtigen Ausgaben, die Schuldenbremse verhindert die unwichtigen.“
Linken-Haushälterin Gesine Lötzsch plädierte mittelfristig für die Abschaffung der Regelung im Grundgesetz. „Eine zerrüttete Infrastruktur, eine zerstörte Umwelt und eine unsinnige Schuldenbremse dürfen wir nicht an die nächste Generation vererben. Das wäre zutiefst unmoralisch und ungerecht“, sagte sie.
Blick auf 2023
Formal ging es im Bundestag nicht um den Etat für 2024, sondern eigentlich um den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Damit will die Ampel-Regierung zunächst für 2023 die Schuldenbremse aussetzen, um bereits genutzte Kredite nachträglich abzusichern. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass die Regierung diese Kredite ohne weiteres nicht hätten aufnehmen dürfen. Ohne den Nachtragshaushalt hätte ein verfassungswidriger Haushalt gedroht.
Es geht um fast 45 Milliarden Euro, die großteils für die Energiepreisbremsen, aber auch zur Unterstützung der Flutopfer im Ahrtal ausgegeben wurden. Voraussetzung für die Aussetzung der Schuldenbremse ist, dass der Bundestag eine außergewöhnliche Notlage erklärt.
Darüber soll Mitte Dezember abgestimmt werden. Die Bundesregierung argumentiert, die tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges beeinträchtigten auch im Jahr 2023 erheblich die staatliche Finanzlage. Auch die Beseitigung der Flutschäden vom Sommer 2021 sei noch nicht erledigt.
Die AfD sieht das nicht als gerechtfertigt an. Rückwirkend für 2023 eine Notsituation zu erklären, sei „in jedem Fall verfassungswidrig“, sagte der Haushaltspolitiker Peter Boehringer. Er forderte Unionsfraktionschef Friedrich Merz auf, dagegen zu klagen. Der AfD selbst fehlt dafür die nötige Zahl der Sitze im Bundestag.
Esken: Die Krisen dauern an
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse setzt der Kreditaufnahme des Bundes enge Grenzen. Bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen ist aber eine Ausnahme möglich - dies wurde in den vergangenen Jahren etwa wegen der Corona-Pandemie und der Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine genutzt.
SPD-Vorsitzende Esken betonte im ZDF, die Krisen dauerten an. Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte ebenfalls, man werde auch im kommenden Jahr noch die Belastungen aus dem Krieg in der Ukraine haben. „Wenn man der Meinung ist, dass man weiter Waffen liefern will, ich glaube, da sind wir uns einig, wenn man der Meinung ist, dass man Wiederaufbau gewährleisten will, dann ist das eine außerordentliche Situation.“