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Bundeskabinett Bafög-Reform: 1000 Euro für bedürftige Studienanfänger

Studieren sollen nicht nur die, die es sich leisten können. Mit einem Startkapital zum Studienbeginn will die Ampel auch Kinder aus einkommensschwachen Familien ermuntern, ein Studium aufzunehmen.

Von Jörg Ratzsch, dpa 06.03.2024, 07:34

Berlin - Studienanfänger aus ärmeren Familien sollen ab Herbst vom Staat 1000 Euro Startgeld für die Anschaffung eines Laptops, für Lehrbücher oder zur Finanzierung des Umzugs zum Studienort bekommen. Die sogenannte Studienstarthilfe ist Teil einer Bafög-Reform, die das Bundeskabinett auf den Weg gebracht hat.

„Ein Studium darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen“, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nach dem Beschluss in Berlin. Über das Gesetz wird nun im Bundestag weiter beraten, es können sich also noch Details ändern.

Die eigentlichen Bafög-Sätze werden dem Entwurf zufolge nicht erhöht. Das stößt auf viel Kritik, weil das Leben in den vergangenen Jahren immer teurer geworden ist. Die Regelungen der geplanten Reform im Überblick:

Jährlich könnten etwa 15.000 Studienanfänger profitieren

Die 1000 Euro Studienstarthilfe sollen Studienanfänger bekommen, die unter 25 Jahre alt sind und beispielsweise Bürgergeld beziehen oder in Familien leben, die durch andere staatliche Leistungen wie den Kinderzuschlag oder Wohngeld ihr Einkommen aufbessern müssen. Das Bundesbildungsministerium schätzt in seinem Gesetzentwurf grob, dass jährlich etwa 15.000 Studienanfänger profitieren könnten. Im vergangenen Jahr wurden an deutschen Hochschulen knapp 480.000 Erstsemester gezählt.

Die Antragsstellung soll zum nächsten Wintersemester möglich sein. Anlaufstelle wird voraussichtlich das Portal „Bafög Digital“ sein, wo auch Bafög online beantragt werden kann. Nach derzeitiger Planung soll das Hochladen eines Nachweises über den Bezug der genannten Sozialleistungen und einer Kopie der Immatrikulationsbescheinigung ausreichen. Die 1000 Euro müssen nicht zurückgezahlt werden und werden bei anderen Leistungen nicht als Einkommen angerechnet, auch nicht beim Bafög.

Das Bafög selbst steigt nicht, wenn es nach dem Gesetzentwurf aus dem FDP-geführten Bildungsministerium geht. Gewerkschaften, Sozialverbände, Studierendenvertreter und Opposition kritisierten das mit Blick auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten erneut scharf. Auch Koalitionspolitiker von SPD und Grünen drängen darauf, hier nachzusteuern.

Weitere Zuschläge möglich

Das Bafög war zuletzt zum Wintersemester 2022/23 um 5,75 Prozent erhöht worden. Wer studiert und noch bei den Eltern wohnt, kann damit 511 Euro pro Monat bekommen - darin enthalten sind ein sogenannter Grundbedarf von 452 Euro plus 59 Euro fürs Wohnen. Auswärts sind es 452 plus 360 Euro für die Unterkunft. Möglich sind zudem weitere Zuschläge für die Kranken- und Pflegeversicherung, wenn Studierende nicht mehr bei den Eltern versichert sind, so dass ein Höchstsatz von 934 Euro erreicht werden kann.

Da Vermögen, eigenes Einkommen, Einkommen der Eltern und Ehepartner angerechnet werden, ist die eigentliche Bafög-Höhe aber immer individuell. Hier setzt der nächste Punkt der Reform an: Eine Anhebung der Freibeträge, die bei der Anrechnung gelten. Sie sollen um fünf Prozent erhöht werden, um den Kreis der Bafög-Empfänger zu vergrößern. Hintergrund: In den vergangenen Jahren war deren Zahl deutlich gesunken. 2022 bezogen laut Statistischem Bundesamt 630.000 Personen Bafög-Leistungen, zehn Jahre zuvor waren es noch 979.000. Höhere Freibeträge bedeuten, Eltern und Bafög-Empfänger dürfen künftig mehr verdienen und fallen trotzdem nicht gleich aus der Bafög-Förderung heraus.

Immer wieder Reformen

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) wurde seit seiner Einführung 1971 immer wieder reformiert - umgangssprachlich steht der Name des Gesetzes inzwischen für die eigentliche Geldleistung. Aus dem anfangs reinen Zuschuss ohne Rückzahlung wurde später zunächst ein Volldarlehen. Seit 1990 gilt aber die Regel: Eine Hälfte gibt's geschenkt, die andere muss zurückgezahlt werden. Bei der Rückzahlung, die etwa fünf Jahre nach dem Studium fällig wird und maximal 20 Jahre dauern darf, wird jetzt etwas mehr Druck gemacht. Die Reform sieht vor, dass künftig mindestens 150 statt wie bisher 130 Euro monatlich getilgt werden müssen. Die Raten würden an die „aktuelle Einkommens- und Preisentwicklung angepasst“, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf.

Außerdem sieht die vorliegende Bafög-Reform die Einführung eines sogenannten Flexibilitätssemesters vor. Wenn zum Ende des Studiums die Zeit knapp wird und die Abschlussarbeit drückt, soll Betroffenen die Bafög-Förderung ein halbes Jahr länger gewährt werden dürfen, auch wenn das Ende der Regelstudienzeit schon erreicht ist. Einfacher soll es zudem werden, das Studienfach zu wechseln, ohne den Bafög-Anspruch zu gefährden.

Kritik kommt von vielen Seiten

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte den Bundestag auf, den Gesetzentwurf gründlich zu überarbeiten und warf der Regierung vor, Studenten und Schüler mit einer Nullrunde abzuspeisen. Der Co-Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz der Bundesländer, Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), sagte, der Kabinettsbeschluss gehe völlig an der Lebensrealität der Studierenden vorbei. Die aktuellen Leistungen lägen noch unter dem Bürgergeld und seien völlig unzureichend, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider.

Druck bekommt das FDP-geführte Bildungsministerium aber auch von Koalitionspolitikern. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sönke Rix sagte der Deutschen Presse-Agentur, man werde im Bundestag bei dem Gesetz hart nachverhandeln, es brauche „deutliche Anpassungen“ bei den Bedarfssätzen und Wohnkosten“. Bildungsministerin Stark-Watzinger verteidigte die Pläne und verwies auf die bereits erfolgte Erhöhung vor eineinhalb Jahren. Dort habe man die Sätze deutlich angepasst. Ihre Höhe werde auch weiterhin regelmäßig überprüft.