Energie Neues Klimaschutzgesetz kommt: Fahrverbote vom Tisch
Monatelang haben die Ampel-Fraktionen um neue Regeln für den Klimaschutz gerungen. Nun sind sie sich einig. Verkehrsminister Wissing ist zufrieden - Umweltschützer weniger.
Berlin - Die lange umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes steht. Das teilten Vertreter der drei Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP in Berlin mit. Gleichzeitig gab es eine Verständigung auf einen zügigeren Solarausbau.
Mit der Einigung ist auch die Drohung von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit weitreichenden Eingriffen wie Wochenend-Fahrverboten für Autofahrer vom Tisch. Wissing hatte diese für nötig erklärt, falls das Gesetz nicht geändert würde, erntete dafür allerdings auch Widerspruch - schließlich seien auch andere CO2-Sparmaßnahmen denkbar, argumentierten Kritiker.
Fahrverbote vom Tisch
„Das bisherige Klimaschutzgesetz wäre mit massiven Freiheitseinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden gewesen“, erklärte Wissing. „Fahrverbote sind mit der Einigung endgültig vom Tisch.“ Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden betonte hingegen: „Fahrverbote, wie von Verkehrsminister Wissing angedroht, waren nie nötig und sind es auch in Zukunft nicht.
Besonders im Bereich Verkehr muss aber mehr passieren, damit alle Bürgerinnen und Bürger klimafreundlich mobil sein können.“ Dafür trage der zuständige Minister auch im Rahmen des neuen Gesetzes „eine besondere rechtliche und politische Verantwortung“.
Zielverfehlung künftig erst beim zweiten Jahr in Folge relevant
Bisher gilt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich gesetzliche Vorgaben zum CO2-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Mit der Reform soll die Einhaltung der Klimaziele nun nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend.
Wenn sich in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung bei ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuern. Bis dahin muss Deutschland laut Gesetz seinen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 senken
Abschwächung oder Sieg für den Klimaschutz?
Grundzüge der Reform, die bereits das Bundeskabinett im vergangenen Jahr beschlossen hatte, bekräftigten die Abgeordneten nun mit ihrer Einigung. Umweltverbände hatten eine Abschwächung der gesetzlichen Regelungen beklagt. Mit der Reform lösen nun Zielverfehlungen in der Tat weniger schnell eine Pflicht zum Nachsteuern aus.
Dies war der FDP wichtig, die die bisherigen Regelungen zu rückwärtsgewandt und kleinteilig fand. Die Grünen betonen, dass die deutsche Klimapolitik nun den Zeitraum bis 2040 stärker in den Blick nehme statt bislang nur bis 2030 und damit auch die zunehmend ehrgeizigeren Klimaziele. Richtig relevant wird dies aber erst ab 2030.
Außerdem bleiben die europäischen CO2-Einsparziele unverändert. Hier sind nach grüner Darstellung weiter große Anstrengungen nötig, damit Deutschland nicht ab 2027 Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen in Milliardenhöhe kaufen muss. Damit bleibe auch der Druck auf den Verkehrssektor erhalten.
Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, die Klimaschutzpolitik werde mit der Reform vorausschauender, flexibler und so effizienter. „Die Bundesregierung trägt zukünftig noch stärker eine Gesamtverantwortung für die Einhaltung der Klimaziele.“ Die jeweiligen Jahresemissionsmengen blieben für die Überwachung und Bewertung relevant.
„Durch die Novelle darf kein Gramm CO2 mehr ausgestoßen werden“, versprach SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigte sich hingegen enttäuscht. „Statt Verbindlichkeit und Zuständigkeit gibt es jetzt geteilte Verantwortungslosigkeit“, beklagte der Vorsitzende Olaf Bandt. „Dem Gesetz wurden entscheidende Zähne gezogen. Klimaschutz soll ungestraft auf die lange Bank geschoben werden.“
Was ist mit dem Verkehr?
Wissing kann aufatmen. Erst am Morgen hatte der Expertenrat für Klimafragen festgestellt, dass der Verkehrssektor das dritte Jahr in Folge sein Klimaziel verfehlt hat. Umweltverbände hatten die Bundesregierung wegen mangelnden Ehrgeizes erfolgreich verklagt, diese ging daraufhin in Berufung.
Zwar müssen künftig Bundesregierungen jeweils zu Beginn ihrer Amtszeit ein Maßnahmenprogramm zur Erreichung des Klimaziels für 2040 vorlegen - das gilt aber erstmals erst 2026, also nach der nächsten Bundestagswahl, die regulär im Herbst 2025 stattfindet.
Klimaziel 2040 wird zur Messlatte
Nach Darstellung der Grünen-Fraktion bekommt das Klimaziel für das Jahr 2040 mehr Biss. Bis dahin will Deutschland seine Emissionen um 88 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 senken. Künftige Klimaschutzprogramme der Bundesregierung müssten sich daran messen lassen.
Wenn es so aussieht, dass Deutschland sein Klimaziel für 2040 nicht erreicht, sorgt demnach ein „verbindlicher Nachsteuerungsmechanismus“ dafür, dass die Regierung zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen beschließt. Ein Gesetzestext lag am Montagnachmittag zunächst nicht vor, die Fraktionen stellten Inhalte der Einigung aber jeweils aus ihrer Sicht dar.
Der Stand beim Klimaschutz
Am Morgen vor der Verkündung der Einigung hatte der Expertenrat für Klimafragen, ein unabhängiges Wissenschaftler-Gremium, seine Bilanz des deutschen Treibhausgas-Ausstoßes im vergangenen Jahr vorgelegt. Dabei bestätigten die Fachleute im Wesentlichen die bereits im März vorgestellten Daten des Umweltbundesamts (UBA). Zwar sind die deutschen Emissionen im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen, was allerdings auch an der schlechten Wirtschaftslage und dem milden Wetter gelegen hat.
Dabei verursachte der Verkehrsbereich zum dritten Mal in Folge mehr Treibhausgase als im Klimaschutzgesetz vorgesehen, weshalb Wissing nun nach alter Gesetzeslage binnen drei Monaten ein Sofortprogramm für mehr Klimaschutz vorlegen müsste - was sich mit einer baldigen Verabschiedung der Reform aber erübrigen dürfte.
Auch der Gebäudesektor hat sein Ziel nach UBA-Berechnungen knapp verpasst, was der Expertenrat angesichts großer Unsicherheit bei den berechneten Daten aber weder bestätigen noch verwerfen möchte. Doch auch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) müsste nun nach alter Gesetzeslage ein Sofortprogramm vorlegen.