Dederon Dederon: Eine Schürze überlebt den Sozialismus

Treuen/dapd. - Martin Kraus' kleine FirmaTexkon im Vogtland ist eine der wenigen, die den DDR-Klassikerweiter produzieren. Vier Frauen schneidern pro Jahr etwa 1.000Dederonschürzen, die zum Großteil in Sachsen und Thüringen ihreKäufer finden.
Ursprünglich gründeten die Eltern von Kraus einst denKleinbetrieb, bevor dieser 1972 verstaatlicht wurde. Gemeinsam mitihnen übernahm Kraus kurz nach der Wende die Firma wieder.
Gelernt hat er einst an der Textilfachschule in Reichenbach.Später war er lange als Pulloverstricker tätig. Heute führt der62-Jährige den Betrieb allein. Die Auftragsbücher sind voll: «DieDederonschürze ist ein bekanntes Produkt und vor allem bei Älterennoch immer beliebt», sagt er und zählt auf, was für den Stoffspricht: «Er fällt sehr gut, ist elastisch und passt sich dem Körpergut an, nach dem Waschen trocknet er schnell und ist außerdembügelfrei.»
Dederon - ein Name, in dem die Buchstaben DDR stecken - ist eineKunstfaser. Von ihrer chemischen Zusammensetzung her entspricht sieetwa dem amerikanischen Nylon oder westdeutschen Perlon. Um sichabzugrenzen, schuf die DDR Ende der 50er Jahre für die Produkte ausihren Chemiefabriken den neuen Namen. Zunächst wurden aus der Faserkaum Schürzen, sondern hochwertigere Kleidungsstücke geschneidert,wie Katrin Sohl vom Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig sagte. «Erstals die Produktion billiger wurde, kamen die Kittel in größerenStückzahlen», berichtet die Kuratorin, in deren Haus derzeit eineAusstellung zur DDR-Mode läuft - natürlich nicht ohneDederonschürzen.
Zwtl.: Gefragt sind Pink und Flieder
Ab den 60er und 70er Jahren zogen sich immer mehr Menschen imArbeiter- und Bauernstaat eine solche über: neben Frauen auchMädchen und Jungen in den Kindergärten als Schutz für die Kleidungdarunter. Die Kittel waren oft besonders farbenfroh: «Sozialismusist bunt und schön, das sollte sich auch in den Schürzen zeigen»,erklärt Katrin Sohl und schmunzelt. Jedoch war die Dederonschürzenicht das typische DDR-Kleidungsstück, zu dem sie oft stilisiertwird: «Im Westen wurde so etwas gerade in ländlichen Gegenden auchoft getragen.»
Der Stoff, aus dem die Schürzen heute sind, sieht fast noch soaus wie früher: Martin Kraus kauft ihn bei einer sächsischenStoffdruckerei. Die Blumen- und Geometriemuster sind geblieben, nurdie Farben nicht. «Statt der früher dunklen Töne wie Mokka oderTrüffel sind jetzt vor allem Pink, Rosé, Altrosa oder Fliedergefragt.» Kaum verändert hat sich die Form. «Die Schnitte sindgleich denen zu DDR-Zeiten, jedoch etwas legerer angelegt».
Zwtl.: Aus Dederon gibt es auch Stoffbeutel
Schürze ist übrigens nicht gleich Schürze - das wird klar, wennMartin Kraus die Exemplare seiner Produktion auf dem Kleiderständerdurchgeht: Es gibt Kittel, die über dem Knie enden oder darunter,Schürzen ohne Knöpfe, die an der Seite zugebunden werden, kurzeSchürzen mit betonten Schultern, Schürzen mit Arm, Kinderschürzen -sowie Trauerschürzen in Dunkelgrau mit schwarz-grauemGeometriemuster. Auf Kundenwunsch gibt es Sonderanfertigungen.
Der Renner derzeit ist jedoch das, was aus den Stoffabfällen derSchürzenherstellung entsteht: die sogenannten Klammerkleider, kleineschürzenförmige Beutel für Wäscheklammern - ebenfalls zu DDR-Zeitenweit verbreitet. «Die sind derzeit ausverkauft», sagt Kraus, «dakommen wir mit dem Produzieren manchmal nicht nach». Ähnlich ist esbei Dederon-Stoffbeuteln, die ebenfalls in Treuen genäht werden.
Für die Küchenkittel aus dem kühlen, glänzenden Stoff kommenmittlerweile auch Anfragen von Sammlern. Und von Interessenten auseiner ganz anderen Ecke: Für manche Männer sei eine Dederonschürzeauch ein Fetisch, sagt Kraus.