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Das neue Kabinett Das neue Kabinett: Angela Merkel und die Ritter der Tafelrunde

Von Joachim Frank 17.10.2005, 17:21

Berlin/MZ. - Ein Kabinett ist keine Kuschelgruppe. Deshalb muss niemand Angela Merkel bedauern, weil auf den Ministerstühlen der CDU / CSU auch politische oder gar persönliche Widersacher sitzen werden. Im Gegenteil: Die Regierungschefin kann zufrieden sein mit ihrer künftigen Tafelrunde. Gewiss, viele Tischkärtchen musste sie der SPD überlassen. Und dass ein Tischnachbar Stoiber nicht gerade entspanntes Dinieren verspricht - das stellt der Bayer permanent unter Beweis.

Aber - und das ist für Merkel eher Chance als Bedrohung - Stoiber thront künftig nicht mehr im fernen München, sondern sitzt in Berlin mit am Tisch. Dort muss er sich an allfällige Benimmregeln halten. Ähnliches gilt für den Dauerquertreiber Horst Seehofer. Stoiber hat seinen Partei-Vize nicht nur deshalb als Minister durchgedrückt, weil das die Kanzlerin ärgert. Er will einen Konkurrenten an die Kette legen. Wenn Merkel es geschickt anstellt, werden sich die CSU-Granden zu einem Gutteil gegenseitig in Schach halten.

Nun hat die These etwas Wahres, dass mit Seehofer ein verkappter Sozialdemokrat ins Kabinett einrücke. Trotzdem überzeugt dieser Einwand gegen die Personalie nicht. Denn einerseits müssen CDU und CSU gerade in einer großen Koalition ihr soziales Gesicht wahren - am besten mit profilierten Sozialpolitikern. Andererseits wird ein Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering angesichts des Problemdrucks in seinem Ressort nicht der Mann der wohlig-warmen Botschaften sein können. Und vom künftigen SPD-Finanzminister Peer Steinbrück geht jetzt schon die Rede, er könne im Bemühen um Ausgabendisziplin Merkels stärkster Verbündeter werden.

Die alten Lagerschemata sind für die neue Kabinettsarithmetik also nur bedingt tauglich. Zumal Merkel in ihrer CDU-Ministerriege Gewieftheit (Wolfgang Schäuble) und Erneuerungs-Appeal (Ursula von der Leyen), Fachkompetenz (Annette Schavan) und taktisches Know-how (Thomas de Maizière) bündelt, den Regionalproporz (Franz Josef Jung) wahrt und sich obendrein persönlicher Loyalität vergewissert. Zwar quengelt die NRW-CDU, der größte Landesverband, über mangelnde Vertretung, doch mit den Posten des Bundestagspräsidenten und des CDU-Generalsekretärs ist der "Rüttgers Club" auch nicht schlecht bedient.

Zusammen mit der SPD-Hälfte geht eher ein Kabinett gewichtiger Pragmatiker denn visionärer Luftikusse an den Start. Dieser Befund relativiert die pessimistische Sicht einer "eingemauerten Merkel". Den Schwarzsehern sei überdies ein Blick auf das Kabinett 1998 empfohlen. Als Verteidigungsminister firmierte Rudolf Scharping. Der war weder Militär-Fachmann noch Schröder-Intimus, sollte aber einen Posten erhalten. Nach einem chaotischen Jahr Rot-Grün ließ Scharping wissen, er halte sich für den besseren Regierungschef. Keine drei Jahre später war er nicht einmal mehr Minister - und der Amtsinhaber gewann die Wahl. Was Schröder vermochte, sollte für Merkel nicht unmöglich sein.