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Das häufigste Wort auf den Anzeigetafeln war «annulliert»

05.03.2008, 15:58

Frankfurt/Main/dpa. - Die Transparente künden vom Streik, Monitore und Durchsagen von gestrichenen und verspäteten Flügen: Die Reise von vielen deutschen Flughäfen wird am Mittwochmorgen für zehntausende Passagiere zur Geduldsprobe.

Von 5.30 Uhr an legen nach Angaben der Gewerkschaft ver.di auf dem Frankfurter Flughafen 2000 Mitarbeiter von Vorfeld, Passagierkontrolle und Werkstätten vier Stunden lang ihre Arbeit nieder. Mit bunten Fahnen und Trillerpfeifen ziehen sie in den Terminals an meterlangen Schlangen wartender Passagiere vorbei. Bis zu zwei Stunden lang stehen sich Reisende vor den spärlich besetzten Sicherheitsschleusen die Beine in den Bauch.

Mitarbeiter des Flughafenbetreibers Fraport versorgen gestrandete Passagiere mit Schokoriegeln und Getränken. Das häufigste Wort auf den Anzeigetafeln ist «annulliert». Mitarbeiter der Lufthansa rufen in die Menschenschlangen: «Bitte nehmen Sie nach München und Berlin den Zug, das ist schneller.» Fraport-Sprecher Klaus Busch beschreibt die Reisenden trotz Verspätungen von bis zu drei Stunden und 100 ausgefallener Flüge als «überraschend gelassen». Rund ein Drittel der täglich bis 150 000 Passagiere auf Deutschlands größtem Flughafen fliegen in den Morgenstunden.

Passagierin Jana Roscher wartet mit Kollegin Claudia Straub vergeblich auf ihren Flug nach Hamburg. «Klar, wir wären lieber geflogen, aber wir haben Verständnis», sagt sie. Für Andrea Stapfner und ihren Freund endet der Südafrika-Urlaub in der Schlange zum Anschlussflug nach München. «Es trifft die, die nichts dafür können», sagte sie. «Doch ich verstehe das wegen der niedrigen Löhne.»

Einer, der an diesem Morgen Transparente schleppt statt Gepäck, ist Gepäckfahrer Carlos Gomez-Santes. «Wir wollen mehr soziale Gerechtigkeit», sagt der 28-Jährige. Der Ausstand sei der Beweis, «dass wir etwas erreichen können». Die streikenden Vorfeldarbeiter werden von Kollegen auf einer Kundgebung mit Jubel begrüßt. Werner Göbel, ver.di-Vertreter bei Fraport, sagt: «Sie sind der Herzmuskel von Fraport.»

Am Hamburger Flughafen nimmt ein junger Tourist aus Japan die Störungen sportlich. Statt sich über seinen ausgefallen Flug nach Frankfurt aufzuregen, bringt er sich vor der Anzeigetafel in Stellung und fotografiert das Bild mit den vielen roten Kreuzchen: «gestrichen/cancelled». «Streik? So was hätte ich in Deutschland nicht erwartet», sagt er. Drei Stunden lang liegt am Morgen der Flugverkehr am Hamburger Airport lahm. 40 Feuerwehrleute schaffen es, mit ihrem Warnstreik ein kleines Chaos auszulösen. 85 Starts und Landungen müssen gestrichen werden, etliche Flüge sind verspätet. Zahllose Handys werden gezückt, um den Geschäftspartner in Brüssel, die Schwiegermutter in München oder die Freundin in Paris anzurufen.

Auch am Flughafen Hannover sitzt Regine Draheim aus Bielefeld frühmorgens in der Wartehalle und blickt besorgt auf die große Anzeigetafel. Ihr Flug nach München soll pünktlich abheben, wo sie auf einen Anschlussflug nach Denver gebucht ist. Um 6.00 Uhr ist es dann soweit. Eine kleine zweimotorige Maschine verlässt als vorerst letzte den Flughafen Hannover - danach geht erstmal nichts mehr. Derweil regt sich Fluggast Reinhard Raupricht fürchterlich auf über die Gewerkschaften. «Nur weil diese Deppen sich nicht mit fünf Prozent zufriedengeben, komme ich nicht nach Honolulu», schimpft er. Der Bielefelder ist zusammen mit fünf Freunden auf dem Weg nach Hawaii - zum ersten Mal in seinem Leben - und hat kaum noch Hoffnung, seinen Anschlussflug in Frankfurt zu erreichen.