Bunker Bunker: Das Hochhaus im «Mont Klamott» ist erforscht

Berlin/dpa. - «Wir können los», sagt Reiner Janick und setzt seinen Grubenhelmauf. Der 44-Jährige im olivgrünen Overall ist Vorstandsmitglied desVereins «Berliner Unterwelten», der sich der Erforschungunterirdischer Bauten in der Hauptstadt verschrieben hat. Gemeinsammit einem Fernsehteam ist der Verein in die geheimnisvollen Tiefendes Bergs vorgedrungen. Eine Dokumentation der Erkundungstour in dieVergangenheit zeigt das ZDF in der Reihe «Abenteuer Wissen» am 23.März.
Über eine Leiter steigt Janick hinab in den Betonschacht, den dieForscher auf der Bergkuppe mit einem Bagger freigelegt haben. Bis indie letzten Kriegstage förderte hier ein Paternosteraufzug unablässigMunition für die schweren Fliegerabwehrkanonen (Flak) auf das Dachder Festung. Nach vier Metern steht Janick wieder auf Erdboden. Zuseinen Füßen klafft ein schmaler, kaum 25 Zentimeter hoher Spalt inder Betonwand: der Einstieg in den verschütteten Bunker.
Mit den Füßen voran zwängt sich Janick in die enge Öffnung undschiebt sich auf dem Rücken in die beklemmende Finsternis. Nacheinigen Metern weitet sich der Stollen. Janick richtet sich auf undrutscht auf den Füßen eine Abraumhalde hinunter. Still ist es hier,kühl und feucht. Im Schein einer Taschenlampe werden die riesigenAusmaße des Bunkers sichtbar: eine fast 50 Meter lange, 20 Meterbreite und sechs Meter hohe Halle. «Wir sind in der vierten Ebene»,sagt Janick.
Der Lichtkegel der Lampe gleitet über Berge von Schutt. Rechts istdie Betondecke eingestürzt, ein Netz aus armdicken Armierungsdrähtenhängt in der Luft. Nach Kriegsende haben die Sowjets den Bunkergesprengt - doch nur mit begrenztem Erfolg: Das Gebäude mit seinengewaltigen Mauern und einem Grundriss von 70 mal 70 Metern wurde zwarder Länge nach gespalten. Drei der fünf Etagen blieben aber bestehen.Anschließend häufte man Kriegsschutt der Stadt darüber und legte denPark an. «Mont Klamott» heißt der Trümmerberg im Volksmund.
Mit knirschenden Schritten führt der Rundgang über Ziegel,Putzbrocken und Scherben. Der Schutt dämpft jeden Hall. An einerTreppe warnt eine weiße Wandaufschrift: «Vorsicht Stufen». Danebengähnt ein sieben Meter tiefes Loch im Boden. In bedrohlicherSchräglage führt das Treppenhaus hinunter in die dritte Ebene. Beider Sprengung hat sich das Gebäude zur Seite geneigt wie einsinkendes Schiff. Janick lacht, als er die Stufen hinabsteigt. «Somuss sich Leonardo DiCaprio auf der Titanic gefühlt haben.»
Die Senkrechte erkennt man nur an den weißen Tropfsteinen, die zuhunderten wie Spaghetti von der Decke hängen. In sechs Jahrzehntenhaben Wassertropfen die millimeterdünnen Stalaktiten aus Kalk bis zufünf Meter lang werden lassen. Vom Boden kommen ihnen kerzendickeStalagmiten entgegen. Einer von ihnen steht auf einer rostigenKaffeemühle. Ein Emaillebecher ist von mehreren Einschusslöcherndurchsiebt. Darin wachsen Muscheln. «Ja, das sind Muscheln»,bestätigt Janick. In der Nähe liegen ein rostverkrusteterWehrmachtstahlhelm und ein sowjetischer Soldatenhelm einträchtignebeneinander.
Acht solcher Großbunker hatte die Luftwaffe auf Hitlers Befehl imdamaligen Reich anlegen lassen, drei davon in Berlin. Der BerlinerTiergartenbunker wurde nach dem Krieg restlos abgetragen. Zum Teilerhalten ist noch der Flakbunker Humboldthain. Dort besuchen jährlichtausende Menschen Führungen des «Unterwelten»-Vereins. Der Einstiegzum Friedrichshain-Bunker aber ist inzwischen wieder geschlossenworden. Auf dem Berg genießen Spaziergänger die friedliche Stille desParks.