Klimakrise Bund beschließt Milliardenprogramm für Gebäudesanierung
Als einziger Sektor hat der Gebäudebereich 2020 Klimaziele verfehlt, die zuständigen Ministerien müssen nachbessern. Es gibt mehr Geld. Aber reicht das?
Berlin - Die Bundesregierung will mit zusätzlichen Milliardengeldern beim Klimaschutz im Gebäudesektor nachbessern. Um Klimaziele zu erreichen, beschloss das Kabinett am Mittwoch ein Maßnahmenprogramm des Wirtschafts- sowie Innenministeriums.
Konkret geht es um zusätzliche Mittel in Höhe von 5,7 Milliarden Euro für die Förderung der energetischen Gebäudesanierung.
Hintergrund ist, dass der Gebäudesektor im vergangenen Jahr als einziger Bereich seine Klimaschutzziele verfehlt hatte. Deswegen müssen laut Klimaschutzgesetz die zuständigen Ministerien nachbessern. Ein im Juli vorgelegtes Sofortprogramm sah zusätzliche Mittel von 5,8 Milliarden Euro vor. Aus Sicht eines von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrats für Klimafragen reichte das Programm aber nicht aus, um Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen.
Deswegen legen Wirtschafts- und Innenministerium nun nach: Mit den zusätzlichen Mitteln geht es in Summe um 11,5 Milliarden Euro als zusätzliches „Neuzusagevolumen“ für Förderanträge im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude, wie es in der Kabinettsvorlage heißt. Der Bund fördert etwa den Austausch von Fenstern und Türen, die Dämmung von Außenwänden und Dächern oder Biomasseheizungen und Wärmepumpen.
„Nie da gewesene Rekordsummen“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von noch nie da gewesenen Rekordsummen. Dies sei gut angelegtes Geld für Klimaschutz und für Arbeitsplätze. Die Gelder kämen an, Häuslebauer nutzten die Förderung. Allein bis Mitte September seien 10,6 Milliarden Euro Sanierungsgelder bewilligt worden. „Wir rechnen im Gesamtjahr 2021 mit Bewilligungen von über 15 Milliarden Euro, vielleicht sogar mit bis zu 18 Milliarden Euro.“ Davon sind die meisten Gelder vom Haushaltsauschuss bereits bewilligt worden.
Zusätzlich werde für 2022 eine Milliarde Euro für den klimagerechten sozialen Wohnungsbau bereitgestellt, so Altmaier. „Klimaschutz und bezahlbarer Wohnraum dürfen kein Widerspruch sein.“
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte, die Fördermittel für klimafreundliche Heizungen und die Gebäudesanierung würden gut nachgefragt. Mit der jetzt beschlossenen Aufstockung könne ein Förderstopp vermieden werden. „Wir sind uns in der Bundesregierung einig, dass weitere Maßnahmen folgen müssen, um den Gebäudebereich in den nächsten Jahren auf Kurs zu bringen. Auf den heute beschlossenen ersten Teil wird also schon bald ein zweiter Teil folgen, der auch Ordnungsrecht enthalten wird.“ Dazu gehörten zum Beispiele bessere Standards für den Neubau. „Das muss jetzt schnell vorbereitet, beschlossen und umgesetzt werden.“
Im „Klimaschutz-Sofortprogramm“ hatte die schwarz-rote Koalition etwa beschlossen, Neubaustandards im Gebäudeenergiegesetz anzuheben. Darum kümmern muss sich die neue Bundesregierung.
Emmissionsmenge deutlich überschritten
Im Sektor Gebäude wurde 2020 laut Expertenrat die im Klimaschutzgesetz festgelegte Jahresemissionsmenge um 2 Millionen Tonnen CO2 überschritten. Das Maßnahmenprogramm der Regierung soll dafür sorgen, die Lücke zu schließen. Gebäude verursachen hierzulande nach Daten des Umweltbundesamts etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen.
Kritik kam von der Opposition und Umweltverbänden. Der Linke-Politiker Lorenz Gösta Beutin sagte, die Bundesregierung habe die Energiewende im Gebäudesektor sträflich vernachlässigt. „Die Verabschiedung längst überfälliger Klimahilfen kurz vor Öffnung der Wahlkabinen ist ein Last-Minute-Wahlkampf-Manöver mit Steuergeldern.“ FDP-Politiker Daniel Föst sagte: „Immer mehr Milliarden nach dem Gießkannenprinzip bringen uns bei der energetischen Gebäudesanierung nicht weiter.“ Die Grünen-Abgeordnete Julia Verlinden kritisierte, die schwarz-rote Koalition habe echte Fortschritte für Klimaschutz im Gebäudebereich verhindert und schieße nun kurz vor Toresschluss verzweifelt Milliarden nach. „Im Gebäudesektor hinterlässt Schwarz-Rot der nächsten Regierungskoalition eine riesige Baustelle.“
Geld sei gut, reiche aber nicht, sagte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. Die Bundesregierung habe den Gebäudesektor jahrelang vernachlässigt. „Die Sanierung kommt nicht voran, bei der Effizienz gibt es große Lücken. Neben der reinen Finanzspritze bräuchte es auch klare Zeitvorgaben und deutlich höhere Ambition, sonst werden die großen Klimaschutzpotenziale dieses Sektors nicht ausgeschöpft.“