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Bildungsnot Bildungsnot: Mancher Familie fehlen zehn Euro für ein Schulheft

Von KERSTIN METZE 05.06.2009, 17:15

HALLE/MZ. - "Bei uns können sich Kinder austoben, Eltern sich austauschen und Erwachsene beim Schach auch mal ein Bier trinken", sagt Annette Wunderlich, die Leiterin. Das sei tausendmal besser, als wenn Kinder auf der Straße spielen müssten oder den ganzen Tag vorm Fernseher verbrächten. Oder wenn die Großen vor einem Kiosk lümmelten.

Vor allem die Kinder nehmen das Haus in Beschlag, wie auch Jutta Kiegeland, die stellvertretende Vorsitzende vom Verein "Wir helfen", bei einem Besuch spürte. Sie hatte eine Spende von 250 Euro mitgebracht, die für Schulmaterialien verwendet werden. Mehr als 100 Mädchen und Jungen kommen an jedem Tag. Es sind die Hortkinder der benachbarten Grundschule und andere aus dem Wohngebiet, die hier Beschäftigung finden. Bei Computerkursen ebenso wie in der Schreibwerkstatt mit der Autorin Christina Seidel, beim Töpfern, beim Tischtennis oder bei der Hausaufgabenbetreuung.

In der Kleiderkammer herrscht gerade Hochbetrieb. Die zehnjährigen Florian, Laura und Sandra schlüpfen aufgeregt in alte Kostüme. "Wir machen bei den Kinder-Händelfestspielen mit", erklärt Laura stolz. "Ich bin ein Fassroller", sagt Florian. Und alle erzählen munter drauflos, was sie über Händel wissen. Und das ist eine ganze Menge für Zehnjährige.

"Die Bildung unserer Schützlinge ist uns unheimlich wichtig; gerade, weil viele aus armen Familien kommen und oft keinen Zugang zu Kunst und Kultur haben", sagt Annette Wunderlich. Eigentlich alle Angebote zielten darauf ab, etwas zu lernen. Und das beiweitem nicht nur bei den obligatorischen Hausaufgaben oder im Internet-Café. "Wir beobachten die Kinder genau und spüren ihre Talente und Neigungen auf", sagt die Hortleiterin vom "Bäumchen", Ute Weigt. Und sie freut sich über Helena (10), die an einem Tisch sitzt und phantasievoll eine Geburtstagskarte für ihren Bruder Mike gestaltet. Für den Text hat sie Anregungen im Schreibzirkel bekommen. "Da gehe ich gern hin", sagt das Mädchen.

Den Pädagoginnen bereitet es Kummer, dass etliche Kinder in sehr armen Verhältnissen aufwachsen und sich manchmal ausgegrenzt fühlen. "Da fehlt es häufig an Schulbüchern oder am Straßenbahngeld, wenn wir einen Ausflug planen", sagt Annette Wunderlich. Die zehn Euro für ein Arbeitsheft in der Schule könnten nicht alle Eltern aufbringen. Da würden Möglichkeiten gesucht, auszuhelfen. "Es ist aufgrund finanzieller Zwänge nicht einfach, aber wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass jedes Kind Zukunftschancen hat", sagt Annette Wunderlich. "Zum Glück geht es bei uns meistens zu wie in einer großen Familie", merkt die Leiterin der Einrichtung, deren Träger die SKV Kita GmbH ist, an. Die Solidarität unter den Eltern sei groß. "Ohne das ehrenamtliche Engagement vieler Freiwilliger wäre vieles unmöglich." Auch so manches Kind in der Tanzgruppe könnte beim Auftritt die Einheitskleidung nicht tragen, wenn eine Mutter nicht spontan einen Satz T-Shirts gekauft hätte. Und wer finanziell nicht helfen kann, der ist beispielsweise zur Stelle, wenn es beim Indianer-Camp im Garten der "Schöpfkelle" ans Frühstückmachen für die Kinder geht.