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Bewegung Bewegung: Bachelor und Master im Kommen

15.08.2003, 09:12
Viele neue Angebote, aber bisher meist wenige Interessenten: Die Studierenden halten sich beim Einschreiben in Bachelor- und Masterstudiengänge noch zurück. Im Bild zu sehen sind Studenten der Fachhochschule Stralsund, die ebenfalls Studiengänge mit Bachelor- und Master-Abschluss im Programm hat. (Foto: dpa)
Viele neue Angebote, aber bisher meist wenige Interessenten: Die Studierenden halten sich beim Einschreiben in Bachelor- und Masterstudiengänge noch zurück. Im Bild zu sehen sind Studenten der Fachhochschule Stralsund, die ebenfalls Studiengänge mit Bachelor- und Master-Abschluss im Programm hat. (Foto: dpa) ZB

Bonn/Berlin/dpa. - So viel Bewegung in der Hochschullandschaft wie zurzeit gab es selten. Bundesweit sind Universitäten und Fachhochschulen im Gründungsfieber: Neue Studiengänge gibt es massenhaft, meistens mit Bachelor- oder Masterabschluss. Längst fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Und auch nicht alle Experten sind über die Entwicklung glücklich - von den Studenten ganz zu schweigen. Die halten sich bei den neuartigen Studiengängen auffällig zurück. Das verwundert nicht: Die Berufschancen zumindest für Bachelor-Absolventen sind noch unklar.

«Die Zahl der Studienangebote ist insgesamt enorm gewachsen», sagt Susanne Schilden, Sprecherin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Bonn. «Bei den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen ist die Zahl der Einschreibungen aber vergleichsweise niedrig.» Diese Einschätzung teilt Johanna Witte, beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh Expertin für Bachelor/Master-Studiengänge (BMS): «Die neuen Angebote haben zwar bereits einen Anteil von 16 Prozent an den gesamten Studienmöglichkeiten, aber nur von 3 Prozent an den Studentenzahlen.»

Dabei ist das Angebot bunt: Abfallwirtschaft in Dresden, Afrikastudien in Bayreuth, Computermathematik in Magdeburg, Holzbildhauerkunst in Zwickau, Rechtswissenschaft in Greifswald oder Sinologie in Bochum - das alles lässt sich bereits auf Bachelor studieren. Noch viel mehr ist in Planung: Zum Wintersemester 2003/2004 haben die Hochschulen dutzende neuer BMS angekündigt.

«BA- und Masterstundiengänge hält die Industrie prinzipiell auch für sinnvoll», sagt etwa Michael Schwartz, Sprecher des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) in Düsseldorf. «Auf dem Dipl-Ing. zu beharren, geht nicht. Der Abschluss ist im Ausland einfach zu wenig bekannt.» Auch zeitgemäßere Studienordnungen und kürzere Studienzeiten seien wünschenswert.

Die Ergebnisse entsprechender Bemühungen sind für Experten allerdings noch nicht immer überzeugend. So hatte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft die Hochschulen aufgefordert, sich am Verbandswettbewerb «ReformStudiengänge» zu beteiligen. Das Resultat war ernüchternd: Von den 91 eingereichten Anträgen entsprachen nur vier den Anforderungen der Ausschreibung, bilanzierte Ekkehard Winter, Vorsitzender der Jury, Anfang Juli.

Dabei hatte der Verband ursprünglich sogar fünf Auszeichnungen vergeben wollen. Nun werden nur die vier «Sieger» Philosophy & Economics der Uni Bayreuth, Sozialwissenschaften der Uni Düsseldorf, Biowissenschaften der Uni Münster und Mechanical and Process Engineering der TU Darmstadt mit jeweils 100 000 Euro unterstützt.

«Schlimm, dass es nicht mehr passende Bewerber gab», sagt Angela Lindner, Sprecherin des Verbandes in Essen. Die Gründungsflut neuer Studiengänge wird mit Sorge beobachtet: «Weniger und dann richtig gut wäre die bessere Devise», sagt Lindner. «Viele Universitäten führen immer noch Diplomstudiengänge ein. Dabei ist das Schnee von gestern.» Bei rund 10 000 verschiedenen Studienangeboten bundesweit «kann einem schon jetzt der Kopf schwirren».

Bedauerlich sei besonders, wenn Hochschulen schlicht auf alte Angebote ein neues Etikett klebten - der Studienabschluss nun zwar «Bachelor» heißt, sich aber sonst wenig geändert hat. «Die Studienangebote müssen entrümpelt werden, die internationalen Abschlüsse sich durchsetzen und die alten ganz verschwinden», fordert Lindner. «Vor allem sollte konsequent auf BMS umgestellt werden», so Johanna Witte vom CHE. «Das machen die meisten Hochschulen noch nicht.» Dabei haben die europäischen Kultusminister - unverbindlich - verabredet, dass die Studienlandschaft bis 2010 vereinheitlicht werden soll. Bachelor- und Masterstudiengänge seien in Deutschland bisher aber oft nur Nischenangebote in Bereichen, in denen sich einzelne Professoren spezialisiert haben.

Ein Gegenbeispiel ist Erfurt: Die 1994 gegründete Uni mit rund 4000 Studenten setzt ausschließlich auf BMS, jetzt sogar in den Lehramtsstudiengängen: «Die Studenten können zunächst in 22 Studiengängen bis zum BA fachliche Qualifikationen erwerben und daran ein Masterstudium Lehramt anschließen», erläutert Gaby Luther, Reformbeauftragte für die Lehramtsstudiengänge der Universität. Von klassischen Abschlüssen wie Diplom und Magister hat sich die Uni verabschiedet.

Schritt für Schritt neue BMS gibt es auch an der TU Berlin: E-Technik wurde im vergangenen Wintersemester eingeführt, neu geplant für diesen Herbst ist Urban Management. Der erfolgreichste Master-Studiengang ist zugleich der älteste: Global Production Engineering wird seit dem Wintersemester 1998/99 angeboten: «Auf die etwa 50 Plätze pro Jahr kommen rund 800 Bewerber», so Patrick Thurian, Controller für Lehre und Studium an der TU. Von diesem Herbst an ist das Studium kostenpflichtig: Mit Gebühren von 13 900 Euro ist den Angaben zufolge bis zum Master zu rechnen. Die Studenten kommen allerdings schon jetzt zu 100 Prozent aus dem Ausland: aus Indien, China, Indonesien oder der Türkei - Länder, in denen ein Master-Abschluss aus Deutschland offenbar bereits einen Namen hat.