Bergbau im Saarland vor dem Aus
Saarbrücken/dpa. - Der Steinkohlebergbau im Saarland steht nach einem der schwersten Grubenbeben in Deutschland vor dem Aus. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) rechnet damit, dass im Saarland keine Kohle mehr gefördert werden wird.
«Wir müssen davon ausgehen, dass der Abbaustopp dauerhaft bestehenbleibt», sagte er am Montag in Saarbrücken. Die Landesregierung hatte nach dem schweren Beben am Samstag den Bergbau im letzten verbliebenen Bergwerk an der Saar in Ensdorf gestoppt.
Vom Ende der Kohleförderung wären rund 5000 Beschäftigte bei der RAG im Saarland betroffen. Seit dem Stopp des Abbaus sind rund 3600 Bergleute der Grube zunächst freigestellt. In den kommenden Tagen werde Kurzarbeit für die Betroffenen beantragt, sagte RAG- Vorstandschef Bernd Tönjes in Saarbrücken nach dem Treffen mit der Landesregierung. An diesem Dienstag will das Unternehmen auf einer Betriebsversammlung die Beschäftigten über die Situation und die weiteren Schritte informieren. Tönjes betonte, dass sein Unternehmen von einem derart schweren Beben «völlig überrascht» worden sei. «Wir bedauern das zutiefst.»
Müller betonte, das Unternehmen müsse nun zweifelsfrei nachweisen, dass sich ein solches Ereignis nicht wiederholen kann. Ein Bergbau, der zur Gefährdung von Leib und Leben der Betroffenen führt, sei nicht mehr zu verantworten. «Es wird kein neues Experiment mit offenem Ausgang mehr geben», sagte Müller. Er sehe keine Perspektive für den Bergbau. Tönjes sagte, sein Unternehmen sehe dennoch eine Chance, die Beben künftig einzudämmen. Allerdings habe die RAG schon viele Maßnahmen probiert. «Ob wir zweifelsfrei nachweisen können, dass eine Gefährdung künftig nicht mehr besteht, können wir zur Zeit nicht vorhersagen», sagte Tönjes. In den kommenden Tagen werde dies untersucht.
Die Bergbaugewerkschaft IG BCE warnte nach dem Stopp des Bergbaus an der Saar vor dem Verlust von tausenden Arbeitsplätzen. Es gehe insgesamt um bis zu 10 000 Jobs, die vom Ende des Steinkohleabbaus an der Saar betroffen seien, sagte Bezirksleiter Dietmar Geuskens. Zu den 5000 Stellen bei der Deutschen Steinkohle kämen etwa ebenso viele in Zulieferbetrieben und vom Bergbau abhängigen Unternehmen hinzu. Deren Verlust wäre eine Katastrophe für das Saarland.
Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas sieht das Saarland für den Fall des endgültigen Bergbauendes in einer ernsten Krise. Ein solches Szenario stelle das kleine Land vor Herausforderungen, die nur in einem gemeinsamen Kraftakt gelöst werden könnten, sagte Maas. Nun müsse das Schicksal der Bergleute und der Menschen in den Mittelpunkt treten, die unmittelbar vom Bergbau lebten. «Die Zeit für parteitaktische Spielchen ist endgültig vorbei.» Klar sei, dass es ohne Sicherheit für die Menschen über Tage keinen Abbau mehr geben dürfe. Maas forderte auch von der Bundesregierung Unterstützung bei der Bewältigung der großen Probleme.
Müller sagte, es müsse genau geprüft werden, wie man die Zukunft der Bergleute im Saarland sichern kann. Eine von der Linken geforderte Beschäftigungsgesellschaft sehe er kritisch. Müller setzt auf einen «Solidarpakt Kohle» für das Land, an dem sich die gesamte Wirtschaft, die Gewerkschaften und die Regierung beteiligen sollten. In den kommenden Tagen und Wochen werde eine Arbeitsgruppe über diese Fragen diskutieren. Angesichts der guten Konjunktur sehe er gute Chancen für eine Lösung.
Der saarländische Wirtschaftsminister Joachim Rippel (CDU) sprach von einer «historischen Herausforderung». Mit Sorge blicke man vor allem auf die saarländischen Kohlekraftwerke, die auf die Kohle aus Ensdorf angewiesen seien. Manche Kraftwerke hätten nur Reserven für eine Dauer von bis zu vier Wochen. Auch hier müsse die Arbeitsgruppe intensiv diskutieren und mit den Verantwortlichen reden, um Lösungen zu entwickeln.
Vorrang habe für die RAG nun die schnelle und unbürokratische Beseitigung der Schäden, sagte Tönjes. Auch am zweiten Tag nach dem Beben, dass am Samstag die Region mit einer Stärke von 4,0 und einer nie zuvor gemessenen Schwinggeschwindigkeit von 93 Millimetern pro Sekunde erschüttert hatte, war das Ausmaß der Schäden noch nicht vollständig geklärt. «Bis heute sind bei uns mehr als 450 Schadensmeldungen eingegangen», sagte eine Unternehmenssprecherin. Auch in den kommenden Woche bleibe die kostenlose Hotline (0800/10 10 204) geschaltet.