1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Bergbau: Bergbau: Erstmals wird im Erzgebirge wieder Erz abgebaut

Bergbau Bergbau: Erstmals wird im Erzgebirge wieder Erz abgebaut

Von Jörg Schurig 27.10.2010, 12:32

Niederschlag/Aue/dpa. - Dass die Nickelhütte Aue eineBundesliga-Mannschaft sponsert und ihr den Namen gibt, ist weitgehendunbekannt. Unlängst hat der ESV Nickelhütte Aue Bayern München mit6 : 2 Matt gestellt - im Schach. Dabei hat das 375 Jahre alte AuerUnternehmen schon vor geraumer Zeit einen cleveren Schachzug inRichtung eigene Zukunft gemacht. Die Nickelhütte erwarb 51 Prozentder Anteile an der Erzgebirgischen Fluss- und Schwerspatcompagnie(EFS) GEos GmbH (Freiberg). Die Firma mit dem langen Namen entstand2007 und hat es auf ein begehrtes Produkt abgesehen: Flussspat. Erwird zum Beispiel für Materialien wie Teflon und Goretex verwendet.

Stark gestiegene Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt führen nun dazu,dass das Erzgebirge seinem Namen wieder alle Ehre macht. An diesemDonnerstag (28. Oktober) beginnt nach jahrzehntelanger Pause hiererneut Erzbergbau. Die Idee für ein Bergwerk in Niederschlag beiOberwiesenthal gab es schon zu DDR-Zeiten. 1966 war der Plan für dieGrube fertig. Vermutlich fehlten aber Investitionsmittel, um den hierliegenden Flussspat auf dem Weltmarkt zu versilbern. Niederschlagblieb eine stille Reserve der DDR. 20 Jahre nach deren Ende wird sienun angezapft. Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) drückt alsSprengmeister persönlich auf den Knopf.

EFS-Chef Wolfgang Schilka sieht das Unternehmen als Vorreiter inDeutschland. «Wir liefern den Beweis, dass wir teure Rohstoffe nichtzu hohen Preisen auf den Supermärkten der Welt kaufen müssen, sondernzu kostendeckenden Preisen im eigenen Land fördern können», sagt der58 Jahre alte Professor. Um das Projekt realistisch anzugehen, hatSchilka für die Kalkulation die Durchschnittspreise für Flussspat aufdem Weltmarkt niedrig angesetzt - mit 230 Euro pro Tonne. Aktuellwerden 265 Euro erzielt. 18,5 Millionen Euro hat die ESF - hinter derneben der Nickelhütte ein Ingenieurbüro aus Freiberg steht - in dasBergwerk investiert.

Bergleute für die Unternehmung zu finden, war nicht schwierig.«Wir haben in den vergangenen beiden Jahren 180 Bewerbungen erhalten,zumeist aus der Region», verrät Schilka. 35 Menschen gibt dasBergwerk nun Arbeit, 20 davon im Bergbau selbst. Wenn 2014 die letzteAusbaustufe erreicht ist, sollen jährlich 135 000 Tonnen Fluss- undSchwerspat gefördert werden. «Dann rechnen wir auch mit schwarzenZahlen», sagt Schilka. Als drittes Endprodukt soll Sulfidkonzentratentstehen. Das Erz wird schon Untertage vom Nebengestein (Gneise undGlimmerschiefer) getrennt. Lkw bringen das Material aus dem Berg unddann zur Weiterverarbeitung in die Nickelhütte nach Aue gebracht. DasUnternehmen hat damit praktisch sein eigenes Bergwerk.

Schilka geht davon aus, dass dank der Preisentwicklung mindestensnoch zwei weitere Bergwerke im Erzgebirge entstehen. «Rohstoffewerden noch richtig teuer», sagt der Experte mit Blick auf die vielenhier lagernden Erze. Auch das Riesengebirge auf polnischer Seite, dasfranzösische Zentralmassiv oder der Harz könnten perspektivischwieder zur Bergbauregion werden. Bei dem Hunger der Industrie nachRohstoffen sei die Renaissance für die Branche in Europa eine Frageder Zeit. Derzeit fahren Schiffe bis in alle Winkel der Welt, umBodenschätze in die Industrieländer zu bringen. Dabei geltenTransportkosten nicht als entscheidender Kostenfaktor.

Experten wie Schilka gehen davon aus, dass die Förderung selbst inEntwicklungsländern immer teuerer wird. «Auch die Chinesen könnenihre Bergleute perspektivisch nicht mehr wie Kulis bezahlen».Außerdem komme man an manche Lagerstätten nur noch mit einem hohenAufwand heran. Die Nickelhütte Aue - die letztmals 1945 selbstgeförderte Erze verarbeitete - versteht die Beteiligung an demBergwerk nicht nur als neues Geschäftsfeld, sondern auch als Impulsfür eine strukturschwache Region. «Damit führen wir eine Traditionfort und setzen ein Signal für den Wiederbeginn des Bergbaus in derRegion», sagt Geschäftsführer Volker Carluß.