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Bei Quelle beginnt der totale Ausverkauf

22.10.2009, 15:43

Nürnberg/dpa. - Bitteres Ende für Quelle: Bei dem insolventen Versandunternehmen hat der totale Ausverkauf begonnen. Um die Lager zu räumen, sollen 18 Millionen Artikel auf 25 000 Paletten mit großen Rabatten so schnell wie möglich unter die Leute gebracht werden.

«Das ist eine Riesenaufgabe», sagte Thomas Schulz, Sprecher von Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg, am Donnerstag. Zugleich geht Görg daran, die Filetstücke der Arcandor-Versandgruppe Primondo, etwa das Quelle-Auslandsgeschäft, einzeln zu verwerten.

Wie es für die Beschäftigten genau weitergeht, wer sofort gehen muss und wer noch ein paar Wochen bleiben kann - das wird sich erst nach und nach herausstellen. Denn für die Abwicklung von Quelle braucht der Insolvenzverwalter in den kommenden vier bis sechs Wochen noch Personal - nach ersten Schätzungen könnten es laut Schulz rund 3000 der bisher 10 500 Mitarbeiter sein. «Das Wochenende werden wir noch brauchen, um Klarheit zu bekommen», sagte Schulz der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Für die Filetstücke der Primondo-Gruppe wie das Quelle- Auslandsgeschäft gebe es eine Reihe von Interessenten. «Die Drähte laufen heiß», sagte Schulz. Der Insolvenzverwalter spreche mögliche Investoren an, andere meldeten sich von selbst. Quelle ist Marktführer im Versandhandel in einer Reihe von osteuropäischen Märkten.

Als interessante Unternehmensteile gelten daneben die Call Center, der Technische Kundendienst Profectis und der Homeshopping- TV-Sender HSE24. Nach Informationen der Tageszeitung «Die Welt» ist die Zahl der Kaufangebote in den vergangenen Tagen sprunghaft angestiegen. Dem Blatt zufolge halten Marktexperten die Verkaufschancen für gut. Spezialversender wie Hess Natur, Baby Walz oder Madeleine könnten 200 bis 300 Millionen Euro einbringen.

Davon allerdings werden laut «Welt» die bis zu 75 000 Gläubiger der Arcandor-Gruppe wenig haben. Denn die Spezialversender seien, ebenso wie die Rechte an der Quelle-Eigenmarke Privileg, an den KarstadtQuelle Mitarbeitertrust verpfändet. Dieser Pensionsfonds soll die Altersversorgung für frühere Arcandor-Mitarbeiter sicherstellen. Görg hatte schon früher gesagt, der Verkaufsprozess sei unter anderem deshalb komplex, weil man sich mit verschiedenen Pfandgläubigern verständigen müsse.

Sein Sprecher Schulz wies zugleich Vorwürfe an den Insolvenzverwalter wegen angeblich mangelnder Transparenz beim Verkaufsprozess für Quelle zurück. Die beteiligten Ministerien und Gremien seien die ganze Zeit über den aktuellen Stand informiert gewesen, sagte er der dpa. Lediglich in den letzten Stunden, als die Verhandlungen an Finanzierungsfragen überraschend scheiterten, sei dies aus Zeitgründen nicht mehr möglich gewesen. Die bayerische Arbeitsministerin Christine Haderthauer (CSU) hatte gesagt, es seien viele Fragen an den Insolvenzverwalter offen. Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi äußerten sich ähnlich.

Bei der Bundesagentur für Arbeit laufen unterdessen die Vorbereitungen für den erwarteten Ansturm von Quelle-Arbeitslosen auf Hochtouren. Die Behörde rechnet mit rund 4000 Menschen, die zum 1. November in die Arbeitslosigkeit gehen. An diesem Freitag solle es eine Info-Börse für die rund 120 Auszubildenden des insolventen Versandhauses geben, sagte ein Sprecher. Vom kommenden Montag an werden die Mitarbeiter in einer eigenen Außenstelle im Quelle- Versandzentrum in Fürth betreut. Auch im Logistikzentrum Leipzig sowie im Quelle-Call-Center Magdeburg berät die Arbeitsagentur die Betroffenen.

Die Quelle-Mitarbeiter erleben nach den Worten des Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats, Ernst Sindel, derzeit viel Solidarität. Firmen und Unternehmen böten Arbeit an, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Es gebe eine tiefe Betroffenheit in der Belegschaft. Nötig seien jetzt Fortbildung, Betreuung und psychologische Hilfe.

Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz (66) schweigt derweil zum Zusammenbruch des Versandhauses. Der «Bild-Zeitung» sagte ihr Ehemann Leo Herl: «Meine Frau gibt derzeit keinen Kommentar ab. Wir fürchten, dass alles missverstanden würde. Dabei hat meine Frau doch alles getan, was sie tun konnte.» Laut «Bild» ist Madeleine Schickedanz seit einem Schwächeanfall, den sie im Juni nach dem Insolvenzantrag erlitten habe, gesundheitlich angeschlagen.

Das Ende von Quelle wird auch bei der Deutschen Post DHL zu Stellenverlusten führen. Es sei geplant, drei zuständige DHL- Logistik-Standorte in Bochum, Lehrte und Nürnberg mit insgesamt rund 400 Mitarbeitern zu schließen, sagte DHL-Sprecher Claus Korfmacher.