1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Ausstellung: Ausstellung: Andreas Reißmann sammelt seit 44 Jahren Spielzeug aus der DDR

Ausstellung Ausstellung: Andreas Reißmann sammelt seit 44 Jahren Spielzeug aus der DDR

Von Stefan Simon 22.10.2019, 10:00
Das Stadtmuseum Gera präsentiert ab dem 16. Oktober die neue Sonderausstellung „Eisenbahn und Feuerwehr, Puppenherd und Teddybär“.
Das Stadtmuseum Gera präsentiert ab dem 16. Oktober die neue Sonderausstellung „Eisenbahn und Feuerwehr, Puppenherd und Teddybär“. Stadtmuseum Gera

Gera - Andres Reißmann ist zehn Jahre alt, als seine Eltern ihm zu Weihnachten 1972 den „Planet Orbital 1“ schenken. „Ich habe damit viel gespielt, trotzdem ist die Rakete noch sehr gut erhalten“, sagt der heute 57-Jährige. Zehn Jahre zuvor erhält der Thüringer seine erste Modelleisenbahn. Eine rote Lok mit grünen Wagen, dazu eine Kreuzung. Jetzt hat der Mann aus Greiz Rakete und Eisenbahn wieder ausgepackt: Für eine Ausstellung im Stadtmuseum Gera.

Zusammen mit seiner Ehefrau Ramona Reißmann stellt er bis Mitte März 2020 insgesamt 350 Exponate aus seiner Sammlung für die Sonderausstellung „Eisenbahn und Feuerwehr, Puppenherd und Teddybär“ zur Verfügung. Das besondere an den Stücken: Sie stammen ausnahmslos aus DDR-Produktion, Spielzeug „Made in GDR“ also. Die Faszination von Lokomotiven lässt Reißmann seit seinem fünften Lebensjahr nicht los. Sein Vater baut eine Modelleisenbahnanlage, als Reißmann zehn Jahre alt ist. Benutzen darf er sie jedoch nicht. „Mein Vater sagte, ich sei zu jung dafür“, erinnert sich der Greizer. Er konnte es nicht nachvollziehen. Doch der Vater blieb hart. „Mein Bruder und ich waren nur Zaungäste.“

Spielsachen in Truhe entdeckt

Als er 13 Jahre alt ist, kauft er sich seine erste Eisenbahn. Modell TT. Das Sammeln nimmt seinen Anfang. Stück für Stück erweitert er sein Sortiment. „In den 80er Jahren ging es dann los, dass die neuen Modelle für die Lokomotive nur noch schwer zu finden waren“, sagt er. Reißmann musste teilweise bis zu neun Monate auf neue Ware warten. Es wird fortan eine Herausforderung, an TT-Modelle zu kommen. Seine Sammlung erweitert sich dennoch. Er ergattert Loks oder Wagen durch Geschenke von Freunden oder durch Mundpropaganda. Denn es spricht sich herum, dass Reißmann Modelleisenbahnen sammelt.

Sogar auf Müllkippen sucht er nach ihnen. Seine Sammlung ist nahezu vollständig. Doch mit den Eisenbahnen war es nicht getan. Der gelernte Maschinenschlosser findet Mitte der siebziger Jahre seine alten Spielsachen auf dem Dachboden. Sein Großvater hatte alles in einer Truhe aufgehoben. Für ihn stand fest, dass er nun auch Spielzeug sammeln möchte.

Inzwischen ist Andreas Reißmann seit 44 Jahren leidenschaftlicher Sammler von Spielzeug aus der DDR. Gemeinsam mit seiner Ehefrau besitzt er fast 4.000 Exponate. Um all die Eisenbahnen, Brettspiele, Puppen oder Kaufmannsläden unterzubringen, eröffnete das Ehepaar vor 15 Jahren ein eigenes DDR-Spielzeugmuseum, das heute von ihrer Tochter geleitet wird. Neben den eigenen Stücken, die den Hauptteil der Sammlung ausmachen, gibt es dort auch einige Spielzeuge zu sehen, die das Ehepaar im Laufe der Jahre für seine Sammlung geschenkt bekommen hat. 1983 lernt Reißmann seine heutige Ehefrau kennen. „Es war wie eine Fügung“, sagt er. Denn es stellte sich heraus, dass auch sie leidenschaftliche Sammlerin von Puppen, Puppenstuben, und Großpuppenspielzeug ist.

Die Sonderausstellung im Stadtmuseum in Gera läuft noch bis zum 15. März 2020. Der Eintritt kostet 5  Euro, ermäßigt 3 Euro. Die Öffnungszeiten sind von Mittwoch bis Sonntag und an Feiertagen von 12 bis 17 Uhr.

Es ist nicht das erste Mal, dass Spielwaren aus der Sammlung von Andreas und Ramona Reißmann Platz in einer Ausstellung finden. Im Heimatmuseum Greiz stellten sie 2009 150 Exponate für eine Ausstellung zur Verfügung. Es folgten weitere in der Burg Kriebstein im Erzgebirge zum Thema „Kindergarten in der DDR“. Im Dampfmuseum in Werdau gab es bis Mai dieses Jahres die Ausstellung „Kindergartengeschichten“. Mittlerweile haben die Reißmanns acht Ausstellungen pro Jahr.

Sie habe alles aus ihrer Kindheit behalten, sagt Andreas Reißmann. Drei Jahre später, als ihre Tochter geboren wird, erweitert sich die Sammlung nochmals, denn beide kaufen für das Kind zusätzliches Spielzeug. Wer durch die Ausstellung in Gera läuft, ahnt nur ansatzweise, wie vielfältig das Sortiment der beiden Sammler ist. Die Sprechpuppe aus dem VEB Biggi Waltershausen gehört ebenso dazu wie der Lerncomputer Piko dat, Indianer-Spielfiguren und Flugzeug-Modellbaukästen. Auffallend ist, dass in der DDR auch Spielsachen aus dem Westen nachgeahmt wurden. Das Brettspiel „Chance oder Logik“ etwa weist Ähnlichkeiten zum „Spiel des Lebens“ auf. Die Kuratorin der Ausstellung, Tabea Pandorf, sagt, dass so mancher  „Chance oder Logik“ zum  Spiel Monopoly umbaute. „Das Spiel gab es ja in der DDR nicht“, sagt sie.

Exportschlager Tiemi

Auch den Erfolg des japanischen Plüschtiers Monchichi setzte die Firma VEB Sonni aus Thüringen den deutlichen größeren Tiemi entgegen. Doch Tiemi  habe den Weg in die DDR-Kinderzimmer kaum gefunden, sagt  Andreas Reißmann. „Nur rund zehn Prozent  der Tiemi blieben hier, der Großteil ging ins Ausland“, sagt Reißmann.   

„Ein echter Exportschlager.“ Heute  sei das ostdeutsche Pendant zum Monchichi  schwer zu finden. „Den gibt es heute nur  noch vereinzelt auf Flohmärkten oder im Internet.“ Das Plüschtier Tiemi war nicht der einzige Exportschlager. „Die DDR entwickelte sich  zu einem der größten Spielzeugexporteure der damaligen Zeit“, sagt Reißmann. 80 Prozent der Produktion gingen ins Ausland, schätzt er.  

So fand die Spielware „Made in GDR“ nicht nur in den sozialistischen Ländern ihren Weg in die Kinderzimmer, sondern auch im Westen. Daher dürfte es auch bei Gästen aus den alten Bundesländern das ein oder andere Spielzeug Kindheitserinnerungen hervorwecken, vermutet Museumsmitarbeiter Matthias Wagner. Doch das ist durchaus gewollt. „Wir wollen vor allem Dinge zeigen, bei denen die Leute einen Aha-Effekt haben und sagen: Stimmt, damit habe ich auch gespielt.“ 

Und so dürften die Besucher der Ausstellung auch über ein ferngesteuertes Auto staunen, das ein Ingenieur aus Gera in den 50er Jahren entwickelt hat: Ausgestattet mit vier Vorwärts- und einem Rückwärtsgang, ebenso wie mit Blinker, Fern- und Standlicht sowie Hupe. Es galt nicht nur als Spielzeug, sondern auch als Lehrmittel. Mit einem Kabel verbunden lag die Reichweite bei sechs Metern. In der Sammlung zeigt sich aber auch, dass die Kinderzimmer in der DDR keine ideologiefreie Zone waren. So konnten Kinder mit dem Spiel „Der kleine Großblockbaumeister“ den Bau von Neubaublöcken nachahmen oder mit dem Mondmobil Lunochod die sowjetische Mondmission nachspielen. Erweitert wird die Sammlung mit dem fernlenkbaren Panzer T62 und Soldatenfiguren.  

„Sammeln ist eine Leidenschaft, die Leiden schafft“, sagt Andreas Reißmann zu seinem Hobby. Sammler seien wie Jäger. „Wenn der Jäger auf die Pirsch geht, versteckt er sich. Er lauert bis der Hirsch kommt und dann erlegt er ihn.“ Reißmann leidet, wenn er nach einem Spielzeug sucht und einfach nicht fündig wird. Doch sobald er es ergattern kann, schlägt er zu. „Das sind die Momente, in denen ich glücklich bin.“ Glücklich wird er auch, wenn er Leuten von seiner Leidenschaft berichten kann. Dann könne er die Erinnerungen an die Spielsachen aus der DDR wach halten. Doch die Nostalgie hat auch Grenzen: So bleibt das Spielzeug in Gera hinter den Scheiben der Vitrinen verborgen. Gespielt werden darf mit Planet Orbital I & Co. nicht. (mz)