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Apothekenketten bleiben in Deutschland verboten

19.05.2009, 11:26

Luxemburg/Brüssel/dpa. - Luxemburg/Brüssel  - Apothekenketten bleiben in Deutschland verboten. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg und schob damit einem Preiskampf den Riegel vor.

Nach dem Urteil der obersten EU-Richter darf die Bundesregierung weiterhin den Betrieb einer Apotheke an strenge Bedingungen knüpfen. Die niederländische Internet-Apotheke DocMorris kann somit keine Apothekenkette in Deutschland aufziehen, in der die Betreiber DocMorris-Angestellte wären. (Rechtssachen: C-171/07 und C-172/07).

Die Bundesregierung begrüßte das Urteil. Es schaffe «Rechtsklarheit», sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Dagegen zeigte sich die Regierung des Saarlandes enttäuscht. Das Verwaltungsgericht in Saarbrücken hatte sich im März 2007 an die obersten EU-Richter gewandt. Hintergrund war, dass die Landesregierung DocMorris 2006 das Betreiben einer Apotheke genehmigt hatte. Dagegen klagten mehrere Apotheker.

Die obersten EU-Richter räumten ein, das aus dem Jahr 1960 stammende deutsche «Apothekengesetz» schränke die Niederlassungs- und Kapitalfreiheiten in der EU ein. Es besagt, dass nur Pharmazeuten mit Kammerzulassung Apotheken betreiben dürfen («Fremdbesitzverbot») und auch nur maximal drei Filialen («Mehrbesitzverbot»).

Diese Beschränkungen ließen sich mit dem Ziel rechtfertigen, eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, hieß es in der Urteilsbegründung. Gleichzeitig urteilten die Richter in einem ähnlich gelagerten Streitfall, dass auch Italien seinen Apothekenmarkt nicht öffnen muss. Die Europäische Kommission hatte Rom vor dem EuGH wegen Verstoßes gegen die EU-Binnenmarktregeln verklagt.

Branchenexperten betonten, erhoffte Preisnachlässe bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und Nachahmerprodukten würden nun ausbleiben. So sei es in Norwegen nach der Liberalisierung zu drastischen Preisnachlässen bei Generika und nicht verschreibungspflichtigen Arzneien gekommen, sagte Thomas Becker von der Beratungsgesellschaft BearingPoint der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. «Da es bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten eine Preisbindung gibt, hätte sich dort auch bei einer Öffnung des Apothekenmarktes an der Preisgestaltung nichts geändert.»

DocMorris ist eine Tochter des Stuttgarter Pharmahändlers Celesio, der mehrheitlich dem Familienkonzern Haniel gehört und gut 2300 Apotheken in acht Ländern betreibt. Mit einem Jahresumsatz von gut 35 Milliarden Euro zählt der deutsche Apothekenmarkt zu den weltgrößten.

Der saarländische Gesundheitsstaatssekretär Wolfgang Schild nannte das Urteil «überraschend»: «Das Fremdbesitzverbot widerspricht der tagtäglichen Erfahrung der Deutschen», sagte Schild. Mit angestellten Apothekern zu arbeiten «hat der Gesundheit der Deutschen erkennbar nicht geschadet». Das Land werde das Urteil aber akzeptieren.

DocMorris kündigte an, seine Apotheke in Saarbrücken zunächst offen zu lassen. Man werde abwarten, wie das Verwaltungsgericht «mit dieser Antwort aus Luxemburg umgeht», sagte Vorstandschef Ralf Däinghaus. Die Apotheken mit dem grünen DocMorris-Kreuz, bei denen ein Apotheker Inhaber ist, dürfen ohnehin bestehen bleiben und von den Preisen des Unternehmens für rezeptfreie Arzneien profitieren.

Celesio sieht in dem Urteil keine Gefahr für seine langfristigen Geschäftsziele. Celesio und DocMorris würden sich jetzt auf den Ausbau des Markenpartner- und des Versandhandelsgeschäfts konzentrieren, sagte Vorstandschef Fritz Oesterle in Stuttgart. Aktien des mehrheitlich zum Familienunternehmen Haniel zählenden Konzerns brachen zeitweise um gut 15 Prozent auf etwa 16 Euro ein und rutschten auf den letzten Platz im MDAX. Das Geschäftsmodell des Unternehmens stehe in Frage, hieß es in Börsenkreisen.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV), der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sowie der Verband Pro Generika begrüßten das Urteil. Durch das sogenannte Fremdbesitzverbot werde die fachlich qualifizierte Betreuung der Patienten in Arzneimittelfragen durch unabhängige und freiberuflich tätige Apotheker gesichert, sagte DAV-Chef Fritz Becker. (dpa)