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Analyse: Nervenkrieg und Angst um die Geislen

Von Can Merey 08.07.2007, 14:10

Neu Delhi/Islamabad/dpa. - Unversöhnlich stehen sich Koranschüler und Regierung in Islamabad gegenüber. Ein Ende des Nervenkriegs um die Rote Moschee ist auch am sechsten Tag der Kämpfe nicht absehbar gewesen.

Der Anführer der Fanatiker, Abdul Rashid Ghazi, betonte am Sonntag erneut, er werde lieber sterben als zu kapitulieren. Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf stellte ihm und seinen Gefolgsleuten denn auch den Tod in Aussicht, sollten sie sich nicht ergeben: «Ich warne Sie: Wenn Sie das nicht tun, dann werden Sie getötet.» Ghazi rief in seinem am Sonntag veröffentlichten Testament zu einer islamischen Revolution auf - nach seinem «Märtyrertod».

Immer wieder unternimmt der Vizeleiter der Koranschulen allerdings Vorstöße, um diesem Märtyrertod, über den er sich seinem Testament zufolge glücklich schätzen würde, vielleicht doch noch zu entgehen. In der vergangenen Woche schlug er vor, gegen freies Geleit aufzugeben, was die Regierung brüsk ablehnte. Am Samstag dann bot Ghazi an, sich den gegen ihn erhobenen Vorwürfen - er wird wegen Mordes und Terrorismus angeklagt - vor Gericht zu stellen, wenn die Armee ihre Operationen gegen die Rote Moschee für drei Wochen suspendiere. Die Regierung aber blieb eisern - sie fordert die bedingungslose Kapitulation.

Bislang konnte Musharraf mit seiner Taktik, die Koranschüler auszuhungern, noch keinen durchschlagenden Erfolg erzielen. Ein Sturm auf die Rote Moschee aber könnte furchtbare Folgen haben. Nach Angaben der Behörden halten die Fanatiker zahlreiche Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde fest. Ghazi betonte zwar, niemand werde gegen seinen Willen zum Bleiben gezwungen. Ein 13 Jahre alter Koranschüler namens Jabaad aber strafte die Worte des Predigers am Wochenende Lügen.

Jabaad sagte dem Sender Geo TV, nach einer der zahlreichen Explosionen, mit der die Armee Löcher in die Mauern der Koranschulen sprengen und Geiseln die Flucht ermöglichen will, habe er seine Chance ergriffen. «Die Mauer stürzte ein und ich floh später durch die Lücke, als niemand mich sah», sagte der Junge. Ghazi verbiete allen, die Medrese zu verlassen. «Er drohte, uns zu erschießen, wenn wir versuchen würden zu fliehen.»

Auch in der Nacht zu Sonntag sprengte ein Kommandotrupp solche Löcher wieder in die Mauern der Koranschule. Die Armee erlitt dabei ihren bislang schwersten Verlust im Kampf um die Rote Moschee. Ein Oberstleutnant wurde von den Fanatikern angeschossen, er starb später an seinen Verletzungen - General Musharrafs Geduld dürfte mit dem Tod des Offiziers auf eine harte Probe gestellt worden sein. Ein Sprecher der Moscheeverwaltung sagte, bei den Explosionen seien mehr als 300 Koranschüler getötet worden, darunter 280 Frauen, als zwei Räume eingestürzt seien. Die Armee wies das zurück, überprüft werden könnten die Angaben nicht.

Kaum eine Frage dürfte sein, dass auf dem Gelände der Roten Moschee nach sechs Tagen der Belagerung chaotische Zustände herrschen müssen. Leichen von getöteten Koranschülern sollen in der Hitze verwesen. Ghazi behauptet, noch Waffen und Vorräte für einen ganzen Monat zu haben - so lange wird Musharraf ein Schlachtfeld im Herzen der Hauptstadt nicht dulden können, auch wenn er Opfer unter den Geiseln vermeiden will.

Besonders bei den verängstigten Anwohnern in der Umgebung der Moschee, die unter der Ausgangssperre und den Kämpfen leiden, wächst die Ungeduld. «Meine Mutter ist letzte Nacht krank geworden und ich konnt sie nicht ins Krankenhaus bringen», sagt etwa Khadija Batool, die in dem Viertel lebt. Sie fordert beide Seiten auf, sich zu einigen. «Warum können die Behörden diesen Extremisten nicht freies Geleit geben und sie später festnehmen?», fragt sie. «Wie lange werden wir noch so leben müssen?»