80 Jahre Quelle 80 Jahre Quelle: Der Katalog als guter Freund

Fürth/dpa. - Erst wenige Wochen zurück liegt der erbitterte Kampf umzwei Kundencenter im benachbarten Nürnberg. Rund 650 Beschäftigteverlieren dort zum Jahresende ihren Arbeitsplatz. Erst allmählich istder seit Jahren defizitäre Versandhandel wieder auf dem Weg derErholung.
Als «Geburtstag» von Quelle gilt der 26. Oktober 1927. An diesemTag erfolgte der Eintrag in das Handelsregister am Amtsgericht Fürth.Gründer des «Versandhauses für Textilien und Haushaltsartikel» warder Fürther Kaufmann Gustav Schickedanz. An Milliardenumsätze dürfteer noch nicht gedacht haben: Sein erster Katalog sollte ein «Führerdurch die Sorgen des täglichen Lebens» sein. Kunden, die mit jedemPfennig rechnen müssen - das war seine Zielgruppe. Für sie botSchickedanz Näh- und Strickmaterial, Wäsche, Waschmittel und Artikelzur Körperpflege an.
1936 hatte Quelle bereits mehr als eine Million Stammkunden, derUmsatz erreichte 40 Millionen Reichsmark. Nach dem Zweiten Weltkrieggalt Schickedanz den Amerikanern zunächst als Nazi-Unternehmer.Während er noch zur Untätigkeit verurteilt war, gründete seine zweiteFrau Grete einen kleinen Textilladen in Hersbruck bei Nürnberg. Kaumkam 1948 die D-Mark, begann auch Quelle wieder zu florieren.
Im Juli erschien der erste Prospekt - auf vier DIN-A 4 Seitenwurden 64 Artikel angeboten. Der Aufschwung der 1950er Jahre verhalfzum Durchbruch. Quelle wurde zum Universalversender: Möbel, Fahrräderund Waschmaschinen gab es ebenso per Katalog wie Porzellan oderLampen. Fotoapparate, Radios und Fernsehgeräte waren oft in kurzerZeit ausverkauft. Als erstes deutsches Versandunternehmen bot Quelle1962 Urlaubsreisen aus dem Katalog an: 10 000 Kunden flogen mit dem«Quelle Reisedienst» nach Mallorca. 14 Tage Vollpension kosteten 350DM.
Und Quelle wuchs weiter. Als Gustav Schickedanz 1977 starb,hinterließ er ein Imperium mit acht Millionen Kunden und einemJahresumsatz von 4,5 Milliarden DM. Der Quelle-Katalog bot auf fast1000 Seiten rund 80 000 Artikel an. Witwe Grete Schickedanz führtedas Unternehmen weiter. Erst 1993 verabschiedete sie sich aus demManagement. Slogans wie «Erst mal sehn was Quelle hat» hielten denVersandriesen in diesen Jahren im Gespräch. Der Fall der Mauer 1990brachte Quelle nochmals neue Kunden. Aus dem Stand erzielte dasUnternehmen in den neuen Bundesländern einen Umsatz von 1,1Milliarden DM.
Es war der vorerst letzte Aufschwung. 1999 wurde Quelle vonKarstadt übernommen, es entstand der Handelskonzern KarstadtQuelle,der seit kurzem Arcandor heißt. Ein verändertes Einkaufsverhalten undneue Vertriebswege wie das Internet setzten Quelle mehr und mehrunter Druck. Der Universalhandel brach ein, das Unternehmen geriet indie roten Zahlen. KarstadtQuelle-Chef Thomas Middelhoff verordneteharte Einschnitte.
Heute ist Quelle kein Unternehmen mehr, sondern nur noch eineMarke. Seit dem 1. März 2007 firmiert die Versandhandelsgruppe vonArcandor unter dem Namen Primondo. Im Geschäftsjahr 2006 erzielte sienach Unternehmensangaben mit mehr als 20 000 Mitarbeitern einenUmsatz von 4,2 Milliarden Euro. Primondo treibt derzeit deninternationalen Ausbau von Quelle vor allem in Osteuropa und Russlandvoran. Der Universalkatalog, der Quelle so bekannt gemacht hat, istauf dem Rückzug. Primondo setzt stattdessen verstärkt auf Internet,Teleshopping und den Ausbau des Spezialversandes.
Unklar ist, welche Rolle bei der Unternehmensentwicklung MadeleineSchickedanz spielt, die Tochter von Gustav und Grete Schickedanz. DieQuelle-Erbin ist Großaktionärin bei Arcandor. Sie hat noch einenWohnsitz in Fürth. Viele Quelle-Beschäftigte setzten im Kampf um ihreArbeitsplätze ihre Hoffnungen auf die Milliardärin. Ob sie sich ausHeimatverbundenheit noch für den Standort einsetzt, ist zumindest inder Öffentlichkeit nicht erkennbar.