6. bis 10. September 6. bis 10. September: Alles muss raus, nur Akten bleiben
Halle/MZ. - Die Angst vor der verlängerten Werkbank geht um, vorerst aber wird die DDR zur verlängerten Ladentheke. In Sangerhausen öffnet eine Firma aus Soltau den bislang größten Baumarkt der DDR, auch Naumburg bekommt seinen ersten Supermarkt. Für den August melden die Arbeitsämter nun schon 1,4 Millionen Kurzarbeiter in 16 500 Betrieben, eine Verdopplung der Zahlen vom Monat Juli. Arbeitslos sind 361 286 Menschen, die Arbeitslosenquote im Land beträgt 4,1 Prozent.
5. September: Dennoch müssen die Schlachten von gestern geschlagen werden. In Berlin, Erfurt und Dresden starten Bürgerrechtler Protestaktionen zur Sicherung der Stasi-Akten vor unbefugtem Zugriff. In Berlin droht die Situation kurzzeitig außer Kontrolle zu geraten, dann aber ziehen sich aufmarschierte Polizeiketten wieder zurück. Eine Mahnwache fordert die Zusage, dass die Akten des MfS zugänglich bleiben, vor allem Westpolitiker aber wollen sie im Bundesarchiv verschließen.
6. September: Alles muss raus. Die Deutsche Seereederei Rostock verkauft 15 Kühlschiffe an einen schwedischen Reeder, nachdem der Südfrucht-Handel mit Kuba zum Erliegen gekommen ist. Da es im Fleischmarkt nicht besser aussieht, verkauft die DDR der Sowjetunion 100 000 Tonnen Rindfleisch sowie 100 000 Tonnen Schweinefleisch. Zwischengeschaltet ist nach Agenturberichten "ein westdeutscher Firmenpool".
7. September: Auch das hallesche Bürgerkomitee zur Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit fordert von der Volkskammer, die Nutzung der Stasi-Akten weiter zu ermöglichen. Im Bezirk Halle gehe es um 285 000 Akten, mit deren Hilfe gerade die bisher bekannten 20 Stasioffiziere im besonderen Einsatz "aus ihren beruflichen Positionen herausgelöst" werden. Gleiches sei mit den 77 hauptamtlichen inoffiziellen Mitarbeitern geplant, deren Legende aufgeflogen ist. Insgesamt waren auf dem Territorium des Bezirkes Halle im Verlauf der letzten vierzig Jahre rund 85 000 IM der Stasi im Einsatz.
8. September: Es ist kalt geworden in Deutschland und nun reagiert das Rathaus. Ab morgen würden die Zentralheizungen angeworfen, lässt der hallesche Oberbürgermeister Renger seine Bürger wissen. Die Regierung in Berlin sieht Halle trotzdem nicht als Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. "Dessau wäre für mich die glücklichste Lösung", gesteht DDR-Regionalminister Manfred Preiß. Der Bonner Bürgermeister Jürgen Endemann hingegen wünscht den Hallensern bei einem Besuch, sie mögen Hauptstadt werden wie es seine Stadt schon sei.
9. September: Auf dem halleschen Hufeisensee geht es um die Zukunft von Mutter Natur. Die Grüne Liga protestiert mit einem Bootskorso gegen die Norddeutschen Wasserskimeisterschaften, die hier stattfinden. Die Polizei beendet die Blockade, damit der Wettkampf weitergehen kann.
10. September: Auch auf dem Weg zur Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages über die äußeren Aspekte der deutschen Einheit werden die letzten Stolpersteine geräumt. Helmut Kohl und Michail Gorbatschow kündigen an, der Einfachheit halber am Telefon über die Finanzierung des Abzugs der sowjetischen Truppen aus Deutschland zu verhandeln.