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30. Dezember 30. Dezember: Saddam Hussein stirbt im Morgengrauen am Galgen

30.12.2006, 16:02

Bagdad/Kairo/dpa. - Der 69-Jährige wurde im Morgengrauen gegen 06.00 Uhr Ortszeit(0400 MEZ) gehängt. Sechs Stunden später zeigte das StaatsfernsehenVideoaufnahmen, wie Saddam zum Galgen geführt und ihm der Strick umden Hals gelegt wurde.

US-Präsident George W. Bush sprach von einem Meilenstein auf demWeg zu einem demokratischen Irak. Gegner der Todesstrafe, darunterdie Bundesregierung, waren sich weltweit in ihrer Kritik an derHinrichtung einig. «Die Bundesregierung lehnt, ebenso wie dieEuropäische Union, die Todesstrafe grundsätzlich ab, gleich unterwelchen Bedingungen», erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Derfinnische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Erkki Tuomioja sagte,zwar sei Saddam für schwere Verletzungen der Menschenrechteverantwortlich, das rechtfertige aber die Todesstrafe nicht.

Saddam, der das Land als Staats- und Parteichef mit eiserner Handfast 24 Jahre lang beherrscht hatte, war zusammen mit seinemHalbbruder Barsan al-Tikriti und den Ex-Richtern Awad al-Bandar am 5.November zum Tode verurteilt worden. Sie wurden wegen des Massakersin dem schiitischen Ort Dudschail im Juli 1982 an 148 Schiiten zumfür schuldig befunden. Die Hinrichtung der beiden Mitangeklagtenwurde verschoben. Der Samstag solle «allein mit der HinrichtungSaddams in historischer Erinnerung bleiben», sagte derSicherheitsberater der irakischen Regierung, Muwaffak al-Rubai.

Mit einem Koran in den gefesselten Händen wurde Saddam in denkahlen Hinrichtungsraum geführt, berichtete al-Rubai. Kurz vor seinemTod sei ihm nochmals das Urteil und dessen Bestätigung durch einBerufungsgericht vor vier Tagen vorgelesen worden. Saddam habe wieein «gebrochener Mann gewirkt», aber keine Reue gezeigt, berichteteAl-Rubai. Er habe es abgelehnt, mit verhülltem Kopf zu sterben. DieHinrichtung habe internationalem, irakischem und muslimischem Rechtentsprochen, sagte Al-Rubai.

Sechs Stunden nach der Hinrichtung strahlte «Al-Irakija» dieVideobilder von der Exekution aus. Sie zeigen zwei mit Henkersmützenmaskierte Männer, die Saddam ein schwarzes Tuch um den Hals bindenund ihn dann mit auf dem Rücken gefesselten Händen in einen Raum zumGalgen führen. Die Scharfrichter, die ihm offensichtlich die Prozedurerläutern, legen ihm die Schlinge um den Hals und ziehen sie zu. Dieeigentliche Hinrichtung wird nicht gezeigt. Saddam, der einenschwarzen Mantel über einem weißen Hemd trug, wirkte gefasst undnachdenklich. Einige Male schluckte er. Die Hinrichtung erfolgte nachInformationen des Sender Al-Arabija in einem Gebäude desMilitärgeheimdienstes im Stadtteil Kadhimija.

Wann und wo der Leichnam Saddams bestattet werden soll, war amSamstag noch umstritten. Die irakische Regierung ist bestrebt, Saddaman einem geheimen Ort zu beerdigen, damit sein Grab nicht zumWallfahrtsort für seine Anhänger wird. Eine Tochter Saddams fordertedagegen, die vorübergehende Beisetzung im Jemen. Wenn es diepolitischen Verhältnisse erlauben, solle ihr Vater später im Irakseine letzte Ruhe finden. Nach den Vorschriften des Islam sollte einMensch, der vor zwölf Uhr mittags gestorben ist, möglichst noch amselben Tag beerdigt werden. Dies ist aber nicht bindend.

Trotz einer Ausgangssperre zogen vorwiegend in schiitischenVierteln Bagdads jubelnde Iraker auf die Straße. Autofahrer stimmtenHupkonzerte an. Vereinzelt wurden auch Freudenschüsse in die Luftgefeuert. Gejubelt wurde auch den Kurdengebieten im Norden desLandes. In Tikrit, der Heimatstadt Saddams, kam es zu kleinerenProtesten. Dort forderten seine Anhänger, dass der Leichnam nachTikrit gebracht wird.

Saddam war nur kurz vor seinem Tod aus amerikanischem Gewahrsamden irakischen Behörden übergeben worden. Ein US-Bezirksgericht inWashington hatte in der Nacht einen Antrag der Anwälte Saddamsabgelehnt, mit dem diese in letzter Minute einen Aufschub derHinrichtung erreichen wollten.

Der Diktator war im April 2003 von einer von den USA geführtenStreitmacht gestürzt worden. Nach der Einnahme Bagdads tauchte erunter. Er wurde - mit wirren Haaren und langem Bart - erst imDezember 2003 von US-Soldaten in einem Erdloch nahe Tikrit entdeckt.Im Oktober 2005 wurde der Prozess gegen den gestürzten Diktator undsieben seiner Gefolgsleute vor dem Sondertribunal in Bagdad eröffnet.

US-Präsident George W. Bush erklärte, Saddam habe ein fairesVerfahren erhalten, das er den Opfern seines brutalen Regimesverweigert habe. Zuspruch erhielt Bush aus dem Iran, der von einem«Sieg für das irakische Volk» sprach. Die MenschenrechtsorganisationHuman Rights Watch nannte die Hinrichtung dagegen einen bedeutsamenSchritt weg von den Menschenrechten. Unmissverständliche Kritikübten auch Europarat, Vatikan und Weltkirchenrat.