Migration Migranten in Texas - Schnelle Abschiebungen geplant
Es sind Bilder von chaotischen Zuständen, die aus der US-Stadt Del Rio an der mexikanischen Grenze kommen. Tausende Migranten harren dort unter einer Brücke aus. Die US-Regierung zeigt klare Kante.
Del Rio/Washington - Die Situation in der US-Grenzstadt Del Rio hat sich dramatisch zugespitzt: Tausende Migranten hauptsächlich aus Haiti harren dort unter einer Brücke aus. Die US-Regierung setzt nun besonders auf Abschiebeflüge und will die Menschen wieder zurück in ihre Heimat bringen.
Der Bürgermeister von Del Rio, Bruno Lozano, sprach mit Stand Samstagabend von mehr als 14.500 Menschen unter der Brücke, welche die USA und Mexiko verbindet. Am Sonntag war die Zahl Berichten nach etwas niedriger.
Die Situation an der Grenze im US-Bundesstaat Texas wirft ein Schlaglicht auf die Einwanderungspolitik von US-Präsident Joe Biden. Der Demokrat wird dafür sowohl aus den eigenen Reihen wie von Republikanern kritisiert.
Menschenunwürdige Zustände
Bürgermeister Lozano hatte in der vergangenen Woche dringend Hilfe des Bundes angefordert. Lozano sagte, die Migranten stammten überwiegend aus Haiti, kämen illegal ins Land und warteten darauf, von der US-Grenzschutzbehörde aufgegriffen zu werden. Diese sei jedoch vom großen Andrang überfordert. Auf Bildern war zu sehen, wie die Menschen durch knietiefes Wasser wateten und im Schlamm unter der Brücke, die über den Fluss Rio Grande führt, provisorische Zelte errichteten. Das US-Heimatschutzministerium kündigte am Wochenende an, zusätzliche Transportmittel zu beschaffen, um Tempo und Kapazität von Abschiebeflügen nach Haiti zu erhöhen.
Das Heimatschutzministerium will auch Migranten auf andere Orte in der Region umverteilen, um sie schneller abfertigen zu können. Dort soll sichergestellt werden, dass Menschen ausgewiesen werden, wenn sie sich unrechtmäßig in den USA aufhalten. In den kommenden 24 Stunden sollten bis zu 3000 Menschen verlegt werden, sagte der Leiter der US-Grenzpatrouille, Raul Ortiz, am Sonntagnachmittag (Ortszeit). In den vergangenen Tagen seien bereits rund 3300 Menschen verlegt worden. An die Migranten richtete Ortiz eine deutliche Botschaft: „Sie werden abgeschoben und in ihr Herkunftsland zurückgeschickt, wie es unser Gesetz vorsieht.“
Seit Mitternacht habe es in der Region keinen Grenzübertritt mehr gegeben, sagte Ortiz weiter. Der Grenzübergang in Del Rio ist mittlerweile geschlossen, die Polizei kontrolliert Berichten nach die Grenze. Das Weiße Haus hat die Behörden angewiesen, mit der haitianischen und anderen Regierungen in der Region zusammenzuarbeiten, um den Menschen nach ihrer Rückkehr Hilfe und Unterstützung zu bieten, hieß es weiter.
Der bitterarme Karibikstaat Haiti war Mitte August von einem schweren Erdbeben erschüttert worden. Mehr als 2000 Menschen kamen ums Leben. Kurz zuvor war der Präsident Jovenel Moïse ermordet worden. Viele Menschen sind bereits nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 aus dem Land nach Südamerika geflohen. Beobachter gehen davon aus, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sie erneut zur Flucht getrieben haben. Doch warum eskaliert die Situation gerade jetzt?
Es habe ein Gerücht gegeben, dass die Menschen in dem Gebiet der 36000-Einwohner-Stadt Del Rio die Grenze überqueren könnten, sagte Nicole Phillips von der Organisation Haitian Bridge Alliance dem Sender CNN. Es sei unklar, woher dieses Gerücht gekommen sei - es habe aber die Menschen an die Grenze getrieben.
Viele Menschen aus Haiti würden seit Jahren in Mexiko feststecken und versuchen, Asyl in den USA zu beantragen, sagte sie weiter. Aber die Grenze sei vor allem für Haitianer geschlossen gewesen. „Für sie war es sehr, sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, an der Grenze Asyl zu beantragen.“
Haitis Interims-Premierminister Ariel Henry schrieb auf Twitter: „Wir sind sehr besorgt über die äußerst schwierigen Bedingungen, unter denen mehrere Tausend unserer Landsleute an der US-mexikanischen Grenze leben.“ Es würden Vorbereitungen getroffen, um den Migranten bei ihrer Rückkehr einen guten Empfang zu bieten.
Kritik an Biden
Angesichts der Krise gibt es deutliche Kritik an Präsident Biden. Die demokratische Abgeordnete Ayanna Pressley forderte Bidens Regierung auf, die Abschiebeflüge nach Haiti sofort zu stoppen. Republikaner hingegen werfen Biden eine zu laxe Politik an der Grenze zu Mexiko vor. „Es ist unglaublich, dass unsere Nationalgarde vor dem leeren Kapitol steht und nicht an unserer Südgrenze, wo die Zahl der Illegalen, die in unser Land kommen, so hoch ist wie noch nie zuvor“, monierte Ex-Präsident Donald Trump mit Blick auf eine Demonstration unter hohen Sicherheitsvorkehrungen seiner Anhänger in Washington.
Zuletzt war die Zahl aufgegriffener Migranten dort deutlich gestiegen. Im Juli hatte die Grenzpolizei CBP nach eigenen Angaben rund 213.000 Menschen beim Versuch der illegalen Einreise aus Mexiko aufgegriffen - so viele wie seit gut 20 Jahren nicht mehr in einem Monat. Im August waren es laut CBP mehr als 208.000 Menschen gewesen.
Das US-Heimatschutzministerium betonte, dass die Mehrheit der Migranten unter der sogenannten Titel-42-Regelung abgeschoben werde. Die Richtlinie war unter Trump aufgrund der Corona-Pandemie eingeführt worden und sieht eine schnelle Abschiebung vor. Begründet wird dies mit der Gefahr einer Einschleppung von Covid-19. Unter Biden wurde die Regelung verlängert. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung vor, die Pandemie nur als Vorwand zu nutzen, um Menschen ohne ausreichende Prüfung und Gerichtsanhörung pauschal abzuschieben.
„Irreguläre Migration stellt eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit und das Wohlergehen der Grenzgemeinden und für das Leben der Migranten selbst dar“, erklärte das Ministerium. Die Grenzen seien nicht offen, Menschen sollten sich nicht auf die „gefährliche Reise“ begeben. „Diese Regierung hat große Töne gespuckt, als sie sagte, sie wolle ein humanes Asylsystem“, sagte hingegen Lee Gelernt, ein Anwalt der Bürgerrechtsorganisation ACLU, der „New York Times“. Die Regierung erkenne nicht an, dass die Menschen keine andere Wahl hätten als zu fliehen.