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Afghanistan 100 Millionen Euro für Flüchtlinge - Hubschrauber nach Kabul

Den größten Teil der Hilfen für Afghanistan hat die Bundesregierung nach der Machtübernahme der Taliban eingefroren. Die humanitäre Hilfe für Notleidende läuft aber weiter - und wird sogar ausgebaut.

Von dpa Aktualisiert: 20.08.2021, 16:38
Ein pakistanischer Soldat steht Wache, während Menschen aus Afghanistan über einen Grenzübergang in Chaman nach Pakistan einreisen.
Ein pakistanischer Soldat steht Wache, während Menschen aus Afghanistan über einen Grenzübergang in Chaman nach Pakistan einreisen. Uncredited/AP/dpa

Berlin - Die Bundesregierung stellt zusätzlich 100 Millionen Euro humanitäre Hilfe für Menschen in Afghanistan bereit, die vor den Taliban fliehen. Damit sollen Flüchtlinge innerhalb des Landes und in den Nachbarstaaten unterstützt werden, wie das Auswärtige Amt am Freitag in Berlin mitteilte.

Die Mittel kämen ausschließlich über humanitäre Hilfsorganisationen zum Einsatz. Angesichts der chaotischen Lage rund um den Flughafen von Kabul kündigte die Bundeswehr an, zwei Hubschrauber in die afghanische Hauptstadt zu verlegen. Sie sollen Deutsche, EU-Ausländer und auch Ortskräfte sicher zum Flughafen bringen, dessen Zufahrtswege von den Taliban kontrolliert werden.

Versorgung von Notleidenden

Bei der humanitären Hilfe geht es um die Versorgung Notleidender, etwa mit Lebensmitteln, Medikamenten oder Notunterkünften. „Es werden keine Mittel über staatliche Strukturen, inklusive möglicher Taliban-Strukturen fließen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in der Bundespressekonferenz. Die nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban eingefrorenen Hilfsgelder für Entwicklung und Stabilisierung des Landes bleiben weiter gestoppt. „Die Voraussetzungen sind aktuell nicht gegeben. Deswegen ist die staatliche Entwicklungszusammenarbeit derzeit ausgesetzt“, sagte ein Sprecher des zuständigen Ministeriums.

Für Binnenflüchtlinge in Afghanistan wird die Hilfe den Angaben zufolge allein über den UN-Flüchtlingskommissar (UNHCR) fließen. Nach Angaben der Taliban waren die Hilfen auch Thema bei den Gesprächen, die der deutsche Diplomat Markus Potzel in Doha (Katar) mit den Islamisten führt. Taliban-Sprecher Mohammed Naeem twitterte in der Nacht, dass Potzel mit Schir Mohammed Abbas Staneksai, dem Vizechef des politischen Büros der Taliban, gesprochen habe. „Der deutsche Botschafter sagte zu, Deutschland werde seine humanitäre Hilfe in Afghanistan fortsetzen und ausbauen“, schrieb Naeem.

„Positive Signale“ für Evakuierung

Hauptziel der Gespräche Potzels ist es, Zusagen für eine sichere Evakuierung von Afghanen zu erhalten, die sich von Taliban bedroht fühlen. Dabei geht es vor allem um ehemalige Helfer der Bundeswehr und der Bundesministerien. „Dazu gibt es erste positive Signale“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts. „Wir konnten aber noch nicht verifizieren, wie belastbar diese Signale sind.“ Die Lage am Flughafen sei weiterhin extrem chaotisch. Die Taliban hatten bisher an ihren Kontrollpunkten am Flughafen nur Ausländer passieren lassen.

Auf dem Weg zum Flughafen wurde ein Deutscher angeschossen, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin mitteilte. „Er wird medizinisch versorgt, es besteht aber keine Lebensgefahr“, sagte Demmer. „Und er wird bald ausgeflogen werden.“ Es handele sich um einen Zivilisten.

Die von der Bundeswehr nun nach Kabul verlegten Hubschrauber sollen für die Rettung einzelner Deutscher oder auch Ortskräfte eingesetzt werden, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erläuterte. Sie seien an diesem Samstag einsatzbereit, sagte Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn. Es handele sich um Maschinen des Typs H-145M mit insgesamt 13 Soldaten. Sie sind laut Zorn den Spezialkräften zugeordnet und wurden von der amerikanischen Seite angefordert. Diese benötige im städtischen Umfeld kleinere Maschinen als ihre großen Hubschrauber. „Die haben wir.“

Helikopter für Kabul

Die Helikopter werden nach Zorns Angaben nur in Kabul eingesetzt. Es gebe keine Möglichkeit, über den Hindukusch nach Masar-i-Scharif zu fliegen, um jemanden abzuholen. In Masar-i-Scharif war die Bundeswehr stationiert gewesen. Dort dürften sich noch ehemalige Ortskräfte aufhalten, die der Bundeswehr geholfen haben. Diese ist bei ihrem Evakuierungseinsatz bisher nur innerhalb des Flughafens Kabul aktiv, der von US-Truppen abgesichert wird. Andere Länder wie die USA und Frankreich haben in Kabul jetzt schon Hubschrauber im Einsatz, um Schutzbedürftige zum Flughafen zu bringen.

Die Bundeswehr setzt ihre schwierige Evakuierungsmission unter Hochdruck fort. Erstmals brachte sie dabei auch Menschen direkt nach Deutschland zurück. Am Freitagmittag landete in Hannover ein aus der usbekischen Hauptstadt Taschkent kommender Airbus A310-MRTT. An Bord waren laut niedersächsischem Innenministerium 158 afghanische Ortskräfte und Familienangehörige, darunter 30 bis 40 Kinder, die teilweise ohne Begleitung von Erwachsenen waren. Auch 32 EU-Bürger waren an Bord der Militärmaschine.

Nächste Maschine am Abend erwartet

Ein weiteres Flugzeug mit bis zu 250 Personen werde am Abend in Hannover erwartet, sagte eine Ministeriumssprecherin. Bislang hatte die Bundeswehr nur einen Pendelverkehr zwischen Kabul und Taschkent eingerichtet, von wo es dann mit Passagiermaschinen weiter nach Deutschland ging. Insgesamt brachte die Bundeswehr nach Angaben von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bis Freitagnachmittag rund 1700 Menschen in Sicherheit.

Der deutsche Diplomat Potzel hat nach Angaben des Auswärtigen Amts gegenüber den Taliban auch das Thema Menschenrechte angesprochen. Er habe diese aufgefordert, ihren Ankündigungen zur Einhaltung von Menschenrechten und Medienfreiheit Taten folgen zu lassen. Potzel habe deutlich gemacht, dass ihn jüngste Berichte von Organisationen vor Ort daran zweifeln lassen, sagte der Außenamtssprecher.