Heizstrahler am Biertisch
HALLE/MZ. - Das war 1821. Heute fallen den Biergartenbesuchern unter Kastanienblättern solche weinseligen Sommernachtsstücke kaum ein. "Es ist zu kalt. Klar merken wir den schlechten Sommer am Umsatz", sagte Lars Pappe, der gastronomische Leiter des "Krugs". Glücklicherweise habe man aber zwei überdachte Pavillons. Und dort wärmen - abends - mitten im Hochsommer Decken und auch fauchende Gas-Heizpilze die Durstigen.
Den Freisitz-Betreibern verhagelt das Wetter die Bilanz. Ob im Volkspark, Fritzengarten oder in Knolls Hütte, die Biergarten-Stimmung ist frostig. "Wir haben in unserem Eiskaffee im Mai und Juni bestimmt 35 bis 40 Prozent weniger Umsatz", sagte Giovanni Dal Santo, Chef im "Rialto" am Markt, am Sonnabendmittag. Da waren nur drei der 240 Stühle unter dem Dach aus flatternden Schirmen besetzt. Trotz einer vollen, geschäftigen Innenstadt. Dal Santo nahm es italienisch leicht: "Was soll's. Wir hoffen einfach weiter auf Sonnenschein."
"Im Sommer muss man für den Winter mitverdienen. Damit sieht es diesmal schlecht aus", stellte Carmen Büttner fest, die Besitzerin des "Bierpichlers" in der Sternstraße. Die knapp 30 Stühle vor dem Lokal waren leer. Ebenso wie die Strandkörbe gegenüber, die in der Kneipenstraße eigentlich für Sommer-Flair sorgen. "Der Umsatz ist um 40 Prozent eingebrochen. Das liegt aber nicht nur am schlechten Sommer: Die Leute geben einfach weniger aus", so die Wirtin.
Das bestätigte auch Lutz Richter. Der Geschäftsführer des Gaststättengewerbeverbandes Dehoga für das südliche Sachsen-Anhalt bezifferte den Umsatzrückgang des ersten Halbjahres im Vorjahresvergleich auf acht Prozent. "Das Ausgehverhalten der Leute hat sich immer mehr verändert", sagte er. Die Gäste würden immer weniger Geld ausgeben. Der miese Sommer verschärfe nun die Situation noch. Richter schätzte, dass es in Halle und dem Saalekreis rund 550 Gastronomie- und Hotelbetriebe gebe.
Auch in der Kleinen Ulrichstraße, der anderen halleschen Kneipenmeile, liegen in vielen Lokalen Decken hinter dem Tresen. "Das schlechte Wetter nervt. Aber insgesamt kann ich eigentlich nicht klagen: Die Gäste sind hier hart im Nehmen. Da draußen herrscht so eine Art Überlebensgastronomie", erzählte lachend Angela Naumann. Die Besitzerin des "Kaffeeschuppens" mit rund 60 Plätzen vor der Tür begründete dies mit der guten Innenstadtlage.
Auch im "Krug zum Grünen Kranze" saßen am Sonnabendnachmittag rund 50 Gäste auf den 200 Biergartenplätzen. Die erste Tischreihe, direkt an der Saale, war besetzt. Die aktuelle Biergarten-Wetterkarte auf der Internetseite des Lokales prognostizierte da gerade 85 Prozent Niederschlagswahrscheinlichkeit und 18 Grad. "Wir werden heute Abend wieder die Heizpilze anzünden", kündigte Gaststättenchef Pappe an.