Kriminalität Rund 100 Angriffe: Giffey beklagt „Freiwild-Kultur“
Der Angriff auf Berlins Wirtschaftssenatorin Giffey hat Bestürzung und Anteilnahme ausgelöst. Zahlen der Polizei zeigen, dass viele Politiker vergleichbare Erfahrungen machen.
Berlin - Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey hat nach dem Angriff auf sie und andere Amtsträger schwindenden Respekt für Politiker beklagt. „Es gibt zunehmend Menschen, die überhaupt keinen Anstand und Respekt mehr haben und die Anonymität der sozialen Medien nutzen, um alles ungefiltert rauszukübeln, was ihnen einfällt“, sagte die SPD-Politikerin dem „Checkpoint-Podcast“ des „Tagesspiegel“. „Ich kenne keinen Politiker, der das noch nicht erlebt hat“, fügte sie hinzu. Für das demokratische Zusammenleben sei das eine Gefahr. „Es ist eine Art Freiwild-Kultur. Nach dem Motto: Politiker sind keine normalen Menschen, mit denen kannst Du es ja machen“, sagte Giffey.
Die Senatorin war am 7. Mai beim Besuch einer Bibliothek in Rudow, wo sie ihren Wahlkreis für das Landesparlament hat, von hinten mit einem Beutel an Kopf und Nacken attackiert worden. Giffey wurde dabei leicht verletzt.
Polizei registriert fast 100 Angriffe auf Politiker
Die Berliner Polizei zählte laut „Tagesspiegel“ in diesem Jahr bis Mitte Mai mindestens 99 Fälle, in denen Mandatsträger beleidigt, genötigt oder körperlich attackiert wurden. Im Jahr 2023 seien insgesamt 589 Angriffe auf Politiker registriert worden, sagte eine Sprecherin am Samstag. Im Jahr zuvor waren es 282.
Im Fall von Giffey wurde der mutmaßliche Täter schnell gefasst. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es bereits Erkenntnisse aus dem Bereich der Hasskriminalität über den Mann. Der 74-Jährige wurde in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.
Giffey will sich von Angriff nicht beirren lassen
„Als ich den Namen hörte, erinnerte ich mich, dass er seit 2003 Beleidigungen und Hassmails an verschiedene politisch Verantwortliche schickt“, sagte Giffey nun dem „Tagesspiegel“ über den Angreifer. Sie möchte sich von dem Angriff nicht beirren lassen. Sie gehe nicht anders auf die Leute zu als früher, sagte die SPD-Politikerin. „Das würde ja bedeuten, dass man allen, denen man begegnet, etwas Böses unterstellt. Auf dieses Feld darf man sich nicht begeben“, so Giffey.
Auch härtere Strafen hält Giffey nicht für den richtigen Weg. „Man kann nicht rund um die Uhr geschützt werden. Ich glaube auch nicht, dass das die Antwort ist“, sagte die Senatorin. „Du musst letztendlich die Zuversicht haben, dass es schon gutgeht“, sagte sie.