Nachrichten mit Bäm! MDR-Sputnik aus Halle streicht Nachrichten drastisch zusammen - Daran gibt es heftige Kritik
Halle (Saale) - Auch wenn man selbst die Augen kaum aufbekommt, bei MDR-Sputnik dröhnt schon im Morgengrauen die gute Laune aus dem Lautsprecher. Vani van Morgen heißt die Moderatorin (bürgerlich: Vanessa Massholder), die zwischen 5 und 9 Uhr die Hörer unterhält. „Bäm! Diese Morningshow lässt dich auch schon 5 Uhr morgens gut gelaunt den Bootie shaken“, lautet betont locker die Eigenwerbung. Bald ist es aber nicht mehr nur Alleinstellungsmerkmal der Sendung, dass man dazu mit dem Bootie, also dem Hintern, wackeln muss. Die Show wird bald auch die letzte beim Jugendsender in Halle sein, in der es Nachrichten gibt.
MDR-Sputnik: Nachrichten nur digital
Bisher sendet Sputnik auch außerhalb der Morgenshow halbstündlich und stündlich in der halleschen Gerberstraße selbst produzierte Nachrichten (Slogan: „Alles, was heute wichtig ist“). Ab Dezember fällt das weg, aus Kostengründen. Der MDR nennt keine Zahlen, es sollen aber sechs Mitarbeiter betroffen sein. Sie werden nach MZ-Informationen woanders beim MDR eingesetzt - unterm Strich gibt es also gar keinen Spareffekt bei dem Sender.
Auf MZ-Nachfrage gibt es aus der MDR-Kommunikationsabteilung nur sperriges PR-Sprech dazu. „Im Sinne einer zielgenauen Ansprache der Nutzerinnen und Nutzer verstärken wir hintergründige Inhalte und Einschätzungen im Programm, um unserem Publikum Orientierung zu geben und einzuordnen, was politische und gesellschaftliche Ereignisse für das eigene Leben bedeuten“, heißt es. Das sollen künftig offenbar vor allem Podcasts leisten: Digitale Beiträge auf der Webseite des Senders, die nicht mehr im normalen Programm gesendet werden. Der MDR reagiere damit „auf das zeitsouveräne Nutzungsverhalten“ der Sputnik-Zielgruppe im Alter von 14 bis 29 Jahren und biete ihr „auf unterschiedlichen digitalen Plattformen“ Orientierung und Information.
MDR-Sputnik: Bei Medienpolitikern löst Sparmaßnahme Entsetzen aus
Auch wenn der aus Rundfunkgebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Sender keine Zahlen nennt, ist der buchhalterische Effekt klar. Im Hörfunk ist es deutlich billiger, das Programm mit Musik zu gestalten. Laut MDR-Geschäftsbericht kostet eine Musik-Sendeminute im Durchschnitt sechs Euro - eine Wort-Minute hingegen 88 Euro.
Bei Medienpolitikern löst die Sparmaßnahme beim einst aus der DDR-Jugendwelle DT 64 hervorgegangenen Sender einiges Entsetzen aus. „Das ist eine völlig neue Entwicklung“, sagt Stefan Gebhardt (Linke). Er sitzt im MDR-Rundfunkrat und will dem Sender nun Druck machen. „Unter diesen Bedingungen können wir dem Wirtschaftsplan nicht zustimmen“, sagte Gebhardt der MZ.
Bei Sputnik selber hat die von der scheidenden Programmdirektorin Nathalie Wappler Hagen in der vergangenen Woche intern verkündeten Sparmaßnahme große Unruhe ausgelöst. Es gibt nun Befürchtungen, zum austauschbaren „Dudelfunk“ zu werden - und das am Ende der Bestand von Sputnik insgesamt in Frage stehen könnte. Seit Jahren flammt immer mal wieder die Debatte auf, ob sich der MDR im Unterschied zu anderen Anstalten weiterhin zwei Jugendsender leisten sollte. Schon in den vergangenen Monaten wurde das nachrichtliche Sputnik-Angebot spürbar dünner - regionale Neuigkeiten fanden dabei auch immer seltener statt.
Rückenwind für Kritiker am öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Neben den Auswirkungen auf Beschäftigte könnte die Maßnahme den Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Konzept passen. Der MDR wird wie die Anstalten über die Haushaltsabgabe von 17,50 Euro im Monat finanziert, die jeder zahlen muss, ob er die Angebote nutzt oder nicht - abbestellen geht nicht. Legitimiert wird das damit, dass die Angebote jeder nutzen kann und wirtschaftliche Überlegungen keine Rolle spielten. Die ARD formuliert es selbst so: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet mit seinen Programmen in Hörfunk, Fernsehen und im Internet jeder Bürgerin und jedem Bürgerin die Möglichkeit einer Teilhabe an der freien demokratischen Meinungsbildung und trägt mit seinen Angeboten zur publizistischen Meinungsvielfalt in Deutschland bei.“ Teilhabe an der demokratischen Meinungsbildung dürfte für Sputnik-Hörer schwieriger werden, ohne Nachrichten als Basis.
Sachsen-Anhalts für Medien zuständige Kulturminister Rainer Robra (CDU) will sich zwar nicht konkret einmischen. „Es handelt sich hierbei um eine Frage der konkreten Programmgestaltung des MDR, aus der sich die Politik aus guten Gründen herauszuhalten hat“, sagte er der MZ. Er fügt aber auch die Forderung an, den Standort Halle nicht zu schwächen. „Unabhängig von Fragen der Programmautonomie erwartet die Landesregierung vom MDR, dass die Wertschöpfung, die vom Standort Halle ausgeht, nicht eingeschränkt, sondern – auch durch Verwirklichung der für eine konsequente Umsetzung des trimedialen Konzeptes notwendigen Investitionen - weiter gesteigert wird“, so Robra. (mz)