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Hilfe für Tiere in Sachsen-Anhalt Mit Video: Rentnerpaar kümmert sich auf Gnadenhof liebevoll um Mietzi und Co.

„Es ist ein schönes Gefühl, einem armen Schwein geholfen zu haben“: Bissige Hunde, kranke Katzen, herrenlose Schildkröten - Warum sich Hansi und Frank Emmrich auf ihrem Gnadenhof in Bad Schmiedeberg um Tiere kümmern, die niemand will. Die Liebe zu den Vierbeinern entdeckte das frühere Artistenpaar schon zur DDR-Zeit.

Von Max Hunger Aktualisiert: 07.05.2024, 17:14
Mietzi musste wegen einer Krebserkrankung ein Teil ihres Ohres entfernt werden.
Mietzi musste wegen einer Krebserkrankung ein Teil ihres Ohres entfernt werden. (Foto: Max Hunger)

Bad Schmiedeberg/MZ. - Als Hansi Emmrich den Raum betritt, beginnt Mietzi zu schnurren. Der Kopf der Katze steckt in einer Halskrause, ein Teil ihres rechtes Ohres fehlt. „Sie hat Ohrenkrebs“, sagt Emmrich und legt ihre Hand auf den flauschigen Rücken. Mietzi räkelt sich und vergräbt den Kopf in einer weichen Decke. „Die war richtig wild“, sagt die 74-Jährige. Denn hinter Mietzi liegt eine schwere Zeit.

Ihr Besitzer starb, niemand wollte sich um die Katze kümmern. Sie hauste im Dreck, mit einem verstümmelten Ohr, einem blutenden Mund. Niemand weiß genau, wie lange das so ging. „Jetzt hat sie sich gut eingelebt.“ Das verdankt sie auch der Zuneigung der Rentnerin.

 
Im Video: Der Gnadenhof von Rentnerpaar Hansi und Frank. (Bericht: Anna Lena Giesert)

Mietzi ist eines von vielen Tieren, die auf dem „Gnadenhof Emmrich“ in Bad Schmiedeberg (Landkreis Wittenberg) leben. Hansi Emmrich und ihr Ehemann Frank kümmern sich seit über 25 Jahren um Vierbeiner und Vögel, die „übrig“ sind. Sie sind das letzte Auffangnetz für Hunde, Katzen, Papageien, Schildkröten und Pferde, deren Besitzer gestorben sind, die ausgesetzt oder zurückgelassen wurden. Es sind oft Fälle, die kein Tierheim an neue Halter vermitteln kann. Weil sie alt sind, oder krank – oder beides. „Dieses Tierleid geht uns ans Herz“, sagt Hansi Emmrich.

Hansi  und Frank Emmrich mit Hund Paule auf ihrem Gnadenhof: Das Ehepaar teilt sich Wohnung und Grundstück mit vielen hilfbedürfigen Tieren – seit über 25 Jahren.
Hansi und Frank Emmrich mit Hund Paule auf ihrem Gnadenhof: Das Ehepaar teilt sich Wohnung und Grundstück mit vielen hilfbedürfigen Tieren – seit über 25 Jahren.
(Foto: Max Hunger)

Leben für Tiere: „Gnadenhof Emmrich“ muss 80.000 Euro Kosten pro Jahr stemmen

Um das alles zu stemmen, haben Emmrichs einen Verein gegründet, finanzieren sich über Spenden und Beiträge der 90 Mitglieder. Auch die Tierschutzorganisation Terra Mater hilft mit Geld. Rund 80.000 Euro verschlingt die Versorgung der Tiere im Jahr, bis zu 30.000 Euro fallen allein an Tierarztkosten an.

Käfige putzen, Futter verteilen, Papierkram erledigen – all das leisten Hansi und Frank Emmrich selbst. Ihr Tag beginnt früh und die Anfragen reißen nicht ab. Regelmäßig klingele das Telefon – wieder eine kranke Katze ohne Besitzer, ein verwahrloster Hund. „Ich habe den Eindruck, es hat zugenommen.“

Lotte freut sich über eine grüne Wiese auf dem „Gnadenhof Emmrich“ bei Bad Schmiedeberg.
Lotte freut sich über eine grüne Wiese auf dem „Gnadenhof Emmrich“ bei Bad Schmiedeberg.
(Foto: Max Hunger)

Ein Vormittag in einer Einfamilienhaussiedlung am Rand von Bad Schmiedeberg. Hinter der Tür im mannshohen Gartenzaun des Gnadenhofs erstreckt sich ein verwinkelter Garten. Schuppen schmiegen sich an Bäume und Büsche, bilden ein Labyrinth aus Blättern und Holzwänden.

In den Hütten räkeln sich Katzen auf gepolsterten Liegen, stapeln sich hüfthoch Säcke mit Futter und Katzenstreu. Im Zentrum ragt das Wohnhaus der Emmrichs empor. Im Inneren lümmeln Hunde auf dem Sofa, eine Katzenoma zieht ihre Kreise zwischen Kratzbaum und Standuhr. Das Rentnerpaar teilt sein zu Hause, ja sein ganzes Leben mit den Vierbeinern. „Wir leben für die Tiere.“

Schäferhund hauste in fensterlosem Schuppen und war einer der ersten Klienten

Diese Zuneigung prägt den Weg des Ehepaares schon früh. Zu DDR-Zeiten reisten sie als Varieté-Artisten durch das Land, erzählt Frank Emmrich am Couchtisch. „Wir haben dabei auch viel Elend gesehen“, sagt seine Frau. Einen herrenlosen Schäferhund, der in einem fensterlosen Kohleschuppen gehaust habe, habe sie damals einfach auf der Rückbank ihres Wartburgs mitgenommen. So ging das weiter, Tier für Tier. Als der Platz irgendwann zu knapp wurde, kauften die gebürtigen Sachsen das Grundstück in Sachsen-Anhalt. Daraus wuchs über die Jahre der Gnadenhof.

Mischlungshund Paule hing in Dickicht fest

Auf dem Sessel drängelt sich nun Hund Paule auf den Schoß von Frank Emmrich. Der 84-Jährige lacht. „Er hört nur auf mich.“ Der kleine, schwarze Mischling mit den treuen Augen ist ein typischer Fall. Er habe damals einen Anruf vom Ordnungsamt bekommen, erzählt der Rentner. Ein Hund hing in einem Gebüsch fest. Kein Halter bekannt. Das Tier habe gekläfft, um sich gebissen, keiner habe sich rangetraut. „Er hat nur die Zähne gefletscht.“ Mit einem Kescher fischte Emmrich ihn aus dem Dickicht.

Zu Hause war der Hund zunächst aggressiv. Zerbiss Möbel, grub sich unter dem Zaun durch, riss Bilder von der Wand. Emmrichs bewahrten Ruhe. Fütterten, besänftigten, boten Streicheleinheiten an. Fünf Jahre ist das her. Frank Emmrich blickt auf den Hund auf seinem Schoß. „Jetzt ist er ganz friedlich.“ Nun, man könnte auch sagen: Er weicht seinem Retter nicht von der Seite. Diese Verwandlungen seien es, die sie antreiben, sagt Hansi Emmrich. „Es ist ein schönes Gefühl, einem armen Schwein geholfen zu haben.“

Schildkröten sind mehr als 100 Jahre alt

Aufbruch zu einem Rundgang. Hansi Emmrich schlüpft in ein paar Schlappen und führt in einen gefliesten Seitenflügel. Hier dösen die Kater Felix und Lenny in ihrem Käfig. Per Katzenklappe können sie jederzeit zu einem Streifzug aufbrechen. Felix Besitzer ist gestorben, Lenny wurde in einer Gartenanlage zurückgelassen.

Auch Kakadus leben auf Emmrichs Hof.
Auch Kakadus leben auf Emmrichs Hof.
(Foto: Max Hunger)

Ein Raum weiter leben die beiden Kakadus Helmut und Beppo. Die Papageien sind über 35 Jahre alt und begleiten das Paar schon seit der DDR-Zeit. Auf einem weiteren Grundstück einige hundert Meter entfernt grasen die Shetlandponys Lotte und Motte. Sie siechten einst in winzigen Verschlägen dahin, wurden gerettet und gelangten schließlich in Emmrichs Obhut.

Auch vier Landschildkröten halten sie im Winter im Keller. Die Reptilien waren einst das Mitbringsel eines Seefahrers an seine Tochter. Die musste irgendwann ins Pflegeheim, 15 Jahre ist das etwa her. Diese Schildkröten sind vermutlich über 100 Jahre alt.

Herz für Tiere: Emmrichs versorgen auf Gnadenhof immer mehr Vierbeiner

Emmrichs kennen das Schicksal jedes ihrer Schützlinge. Und jeder Lebensweg geht ihnen nahe, das spürt man. Doch dass es den Gnadenhof überhaupt braucht, betrübt Emmrichs auch. Wenn ein Mensch sterbe, fühlten sich Angehörige oft nicht verantwortlich für Haustiere, die zurückblieben, sagt Hansi Emmrich.

Oder die Vierbeiner würden einfach zurückgelassen. Oft aus profanen Gründen. Weil sie Arbeit machen, weil die Besitzer in den Urlaub fahren wollen. „Es ist schlimmer geworden.“ Denn seit Corona erlebt Sachsen-Anhalt einen Hunde- und Katzenboom. Hansi Emmrich wünscht sich daher eine flächendeckende Kastrationspflicht für Vierbeiner, um die Schwemme und das Leid der Straßenkatzen zu mildern. Und sie hat noch einen Punkt: „Vielen Menschen fehlt die Empathie.“

Für den Fall, dass die 74-Jährige und der 84-Jährige einmal nicht mehr können, haben sie jedenfalls vorgesorgt. Dann übernimmt Vereinsvorstand Katrin Schwarzkopf den Gnadenhof – samt Haus und Grundstück. Das sei alles schon geregelt, sagt Hansi Emmrich. Aber bis es soweit ist, wolle sie ihr Leben weiter den Tieren widmen. Wie lange sie das noch gehen wird? „Bis wir umfallen.“

Weitere Informationen zum Hof, den Tieren sowie eine Bankverbindung für Spenden gibt es im Internet unter: www.gnadenhof-emmrich.de.

Unterstützung für „Gnadenhof Emmrich“ - jeder kann helfen

Gestiegene Kosten für Futter und Heizung machen auch dem Verein „Gnadenhof Emmrich“ zu schaffen. Wer die Versorgung hilfsbedürftiger Tiere unterstützen möchte, kann dem Verein als Fördermitglied beitreten. Auch Geld- und Futterspenden sind jederzeit willkommen. Außerdem ist der Verein regelmäßig auf der Suche nach einem neuen Zuhause für gesunde, noch nicht so alte Tiere – aktuell etwa für Kater Lenny.